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Arve und Tannenhäher

 

Eine wechselseitige Abhängigkeit mit weitreichenden Konsequenzen?

Lassen die räumlichen genetischen Strukturen von adulten und juvenilen Arven Rückschlüsse über den lokalen und regionalen Genfluss zu (Windbestäubung bzw. Samenausbreitung durch den Tannenhäher)?

 

Die gegenseitige Abhängigkeit zwischen der Arve (Pinus cembra) und dem Tannenhäher (Nucifraga caryocatactes) als ihrem wichtigsten Samenausbreiter wurde in den Alpen durch intensive Beobachtungen bereits gut untersucht. Die Vögel sammeln die Arvensamen als Winternahrung, die sie in Verstecken vergraben. Diese liegen wiederum an günstigen Mikrostandorten für die Keimung und Etablierung junger Arven.

 

Diese Art von Samenausbreitung lässt einen starken gerichteten Effekt auf die genetische Struktur der Arvenpopulation erwarten, während die vorgängige Windbestäubung und das Überlappen mehrerer Baumgenerationen diesem Trend entgegenwirken dürften.

Mit unserem Projekt versuchen wir zu verstehen, welchen Effekt die Samenausbreitung durch den Tannenhäher auf das zukünftige genetische Muster der Arvenpopulation haben kann. Wir vermuten, dass die Ausbreitungsaktivität des Vogels dazu führt, dass die angelegten Samenverstecke nahe verwandte Arvensamen enthalten, was wiederum in der Struktur der heutigen Adultpopulation erkennbar sein dürfte. In einem Modellbestand (Rautialp, Näfels GL) werden alle adulten Arven kartiert und ihre genetischen Fingerabdrücke mit unterschiedlich vererbten molekularen Markern erfasst. Wir bestimmen die jeweiligen Genotypen für Zellkern-Marker (von beiden Eltern vererbt) und Chloroplasten-Marker (väterlich vererbt). Dies ermöglicht uns, die gegenwärtige genetische Struktur der Adultbäume mit der historischen Pollen- und Samenausbreitung in Zusammenhang zu bringen. Der aktuelle Genfluss durch Pollen und Samen wird untersucht, indem natürlich verjüngte Arven, die sich mit grosser Wahrscheinlichkeit aus den Vorratsverstecken des Tannenhähers etabliert haben, genetisch analysiert werden. Hierfür werden dieselben molekularen Marker wie für die Adultbäume angewandt, um die beiden Eltern bestimmen zu können. Gleichzeitig können wir feststellen, ob es Jungbäume gibt, die als Samen vom Tannenhäher aus anderen Populationen eingebracht wurden.

Wir nehmen an, dass die räumliche Aggregation von nahe verwandten Bäumen Inzucht fördert, was in den Folgegenerationen zu einer Inzuchtdepression (weniger Samen, geringere Keimungs- und Etablierungsrate) führen könnte - wenn sich also v.a. nah beieinander stehende und somit nah verwandte Bäume gegenseitig bestäuben. Dies ist am ehesten in kleinen und isolierten Populationen der Fall. Um diese Annahme zu testen, führten wir Keimungsexperimente mit offen bestäubten Samen aus verschiedenen Schweizer Arvenbeständen durch (Bündner Zentralalpen, Ostschweizer Nordalpen; Salzer et al. 2012). Diese Bestände unterscheiden sich in ihrer Grösse und sind unterschiedlich stark von benachbarten Arvenvorkommen isoliert. Es zeigte sich, dass Samenzahl und -gewicht sowie die Keimungsrate in den kleinen, isolierten Populationen geringer war als in den grossen, vernetzten Bestände. Mortalität und Wachstum im ersten Jahr zeigten jedoch keine Unterschiede aufgrund der Populationstypen. Wir gehen somit davon aus, dass sich Inzuchteffekte in den frühesten Lebensstadien und wie erwartet vor allem in kleinen Beständen manifestieren.

Die genetische Struktur im Adultbestand im Vergleich zu derjenigen, die im Jungwuchs gefunden wird, soll die jeweiligen Effekte von Pollen- und Samenausbreitung auf die Populationsstuktur zukünftiger Arvengenerationen aufzeigen. Unsere Untersuchung trägt zum besseren Verständnis von lokalen genetischen Prozessen bei und beleuchtet die ko-evolutive Interaktion zwischen Arten unterschiedlicher trophischer Stufen. 

     

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