Navigation mit Access Keys

Hauptinhalt

 
 

Die genetische Vielfalt als wichtiges Mass für die Biodiversität bei Alpenpflanzen

 

Die intraspezifische, genetische Diversität wird nur selten als Mass für die Biodiversität eingesetzt, obwohl sie geeignet wäre, um das Anpassungspotenzial einer Art in einer sich ändernden Umwelt abschätzen zu können. Im internationalen Projekt IntraBioDiv wird bei Alpenpflanzen untersucht, ob die intraspezifische Diversität mit anderen Biodiversitäts-Massen korreliert. Daraus wird abgeleitet, ob ein Einbezug der genetischen Vielfalt die Schutzmassnahmen in Zukunft zu verbessern vermag.

Der Artenreichtum ist das am häufigsten benutzte Mass für die Bewertung der Biodiversität. Die intraspezifische Diversität, d.h. die genetische Vielfalt innerhalb einer Art, wird nur selten in die Bewertung einbezogen, obwohl sie das Evolutions- und Anpassungspotenzial einer Art in einer sich ändernden Umwelt bestimmt. Um zu prüfen, ob und wie gut die verschiedenen Masse der Biodiversität übereinstimmen, untersuchte das Projekt IntraBioDiv die Zusammenhänge zwischen der intraspezifischen Diversität und dem Artenreichtum bzw. der Habitatvielfalt bei Alpenpflanzen. Daraus lassen sich Auswahlkriterien für Schutzmassnahmen zur Erhaltung der intraspezifischen Diversität ableiten. 

Das von der EU unterstützte Projekt wurde von einer internationalen Gruppe von Forschenden durchgeführt. Initiiert und koordiniert wurde es von Pierre Taberlet (Universität Grenoble). Beteiligt waren 17 Institutionen aus 10 europäischen Staaten. Das Untersuchungsgebiet erstreckte sich über den ganzen Alpenbogen sowie die Karpaten.

Die Ziele des Projekts

  • Beziehungen zwischen inter- und intraspezifischer Pflanzendiversität sowie der Habitatvielfalt finden und erklären
  • abschätzen, ob das bestehende Netzwerk von Schutzgebieten in den Alpen und den Karpaten die gesamte Biodiversität, also einschliesslich genetischer Vielfalt, gut abdeckt.

Folgende spezifischen Fragen untersuchten wir in den Alpen und in den Karpaten:

  • Gibt es einen statistischen Zusammenhang zwischen der intraspezifischen Diversität und der Diversität zwischen den Arten?
  • Enthalten Gebiete mit einem hohen Anteil von endemischen Arten auch einen hohen Anteil an intraspezifischer Diversität, und wie verhält es sich mit der Seltenheit von Genvarianten und Arten?
  • Lässt sich aufgrund der Habitatdiversität die intra- und interspezifische Diversität abschätzen?
 

Resultate

Die Untersuchungen sind soweit abgeschlossen. Einige Resultate wurden bereits veröffentlich und weitere Artikel folgen in Kürze, und die wesentlichen Datengrundlagen sollen Forschenden auf öffentlichen Datenbanken zur Verfügung gestellt werden. An der WSL wurden zwei Doktorarbeiten verfasst, die wichtige Resultate des Projekts enthalten:

Thiel-Egenter, C. (2007). Inter- and intraspecific differentiation and genetic diversity in alpine plants: when phylogeography meets biogeography. WSL Birmensdorf, Universität Zürich, Zürich.
Eine der ältesten Fragen in der Biologie ist, welche Faktoren die Verbreitung von Organismen bestimmen. Schon lange ist bekannt, dass Geschichte, Ausbreitung und Ökologie in der Biogeographie eine zentrale Rolle spielen. Die Entwicklung molekulargenetischer Methoden gibt aufgrund der Verbreitung genetischer Linien (Phylogeographie) neue Einblicke in die Pflanzengeschichte der Alpen. Die Verbindung von Bio- und Phylogeographie, d.h. ein Vergleich von Verbreitungsmustern von Arten und Genen, wurde bisher kaum gemacht. Dieser Ansatz ergibt neue Kenntnisse über den Einfluss der Geschichte und der Beschaffenheit eines Gebietes auf die darin lebenden Arten und auf historische Populationsprozesse. Als Teil dieser Doktorarbeit wurde eine neue Methode entwickelt, um genetische und floristische Grenzen geographisch zu eruieren und statistisch zu vergleichen. Die Methode wurde an einem umfassenden Datensatz zur Verbreitung und genetischen Vielfalt alpiner Pflanzenarten über den gesamten Alpenraum angewendet. Die Doktorarbeit untersuchte, ob die genetischen und floristischen Grenzen korrelieren und welche Faktoren die Lage der Grenzen bestimmen.

Steinmann, K. (2008): Testing basic assumptions of species richness hypotheses using plant species distribution data. WSL Birmensdorf, Universität Zürich, Zürich.Die heutige Artenvielfalt hat sich über Milliarden von Jahren entwickelt. Aus einem<br/>komplexen Zusammenspiel von biotischen und abiotischen Faktoren entstehen räumliche Muster der Artenvielfalt. Seit mehr als zwei Jahrhunderten untersuchen Forschende die Ursachen für diese Muster. Zudem wurden viele Hypothesen entwickelt, um zu erklären, weshalb es so viele Arten gibt. Die Erklärungsmechanismen wirken auf unterschiedlichen räumlichen Skalen und stehen untereinander in Wechselbeziehungen. Gerade weil in natürlichen Systemen die Vielfalt flächenabhängig ist, ist es schwierig, die einzelnen Mechanismen isoliert zu betrachten. In dieser Arbeit wurden folgende Aspekte der Artenvielfalt von Pflanzen untersucht:

  1. Klimagradienten und Artenvielfalt funktioneller Gruppen
  2. Habitatdiversität und Flächeneffekt auf die Artenvielfalt 
  3. Klimagradienten und historische Einflüsse auf die Artenvielfalt 
 

Untersuchungsgebiet

Die Untersuchung über den Zusammenhang der Diversität auf allen drei Biodiversitätsstufen erstreckte sich über den gesamten Bereich der Alpen und der Karpaten. Während die Arten- und Habitatvielfalt auf Flächen oberhalb 1000m ü.M. erfasst wurde, beschränkten sich die genetischen Analysen auf Flächen oberhalb 1500m ü.M.


Raster
Zur Erfassung der intraspezifischen Diversität, der Artenvielfalt und Habitatdiversität der Alpenpflanzen verwendeten wir ein Raster. Jedes Rasterquadrat, welches einen minimalen Flächenanteil oberhalb definierter Höhengrenzen umfasst, repräsentiert etwa 536 km2. Die Beprobung für die genetisch untersuchten Arten beschränkte sich auf die höher gelegenen Bereiche und in den Alpen auf jede zweite Rasterzelle.

Untersuchungsraster IntraBioDiv
Für eine höhrere Auflösung bitte auf Bild clicken. (A) Rastersystem, welches zusammenhängende Berggebiete in den Alpen und Karpaten mit Flächenanteil oberhalb 1000m ü.M. umfasst. Die Zahlen beziehen sich auf die Gesamtartenzahl alpiner Pflanzen, welche in dem betreffenden Land erfasst wurde (A, Österreich; CH, Schweiz; CZ, Tschechische Republik; D, Deutschland; F, Frankreich; I, Italien; PL, Polen; RO, Rumänien; SK, Slowakei; SLO, Slowenien; UKR, Ukraine). (B) Auswahl an Rasterzellen (hellgrau) zur Erfassung der Arten, die für genetische Analysen beprobt wurden. Die Zahlen in den Rasterzellen zeigen die Anzahl genetisch untersuchter Arten. Illustration nach Gugerli et al. (2008) Perspectives in Plant Ecology, Evolution and Systematics.

Methoden
Folgende Methoden wurden eingesetzt, welche in Gugerli et al. (Perspectives in Plant Ecology, Evolution and Systematics 2008) detailliert beschrieben sind:

  • Intraspezifische Diversität: Analyse von molekularen Markern (amplified fragment length polymorphisms, AFLPs) von je 27 alpin verbreiteten Arten in den Alpen und den Karpaten
  • Pflanzendiversität: Kartierung der Gefässpflanzen mit Vorkommensschwerpunkt in der alpinen Zone mittels zumeist vorhandener Verbreitungsdaten
  • Habitatdiversität: Zusammenstellung vorhandener Umweltdaten und Erarbeitung einer Karte der Habitatdiversität
  • Vergleich der drei Kartierungen, um mögliche Korrelationen zwischen diesen Variablen zu finden.
 

Publikationen

von WSL-Mitarbeitenden

  • Schoville SD, Dalongeville A, Viennois G, et al. (2018) Preserving genetic connectivity in the European Alps protected area network. Biological Conservation 218, 99–109.
  • Rogivue A, Graf R, Parisod C, Holderegger R, Gugerli F (2018) The phylogeographic structure of Arabis alpina in the Alps shows consistent patterns across different types of molecular markers and of geographic scales. Alpine Botany 128, 35–45.
  • Alvarez N, Thiel-Egenter C, Tribsch A, Manel S, Taberlet P, Küpfer P, Holderegger R, Brodbeck S, Gaudeul M, Gielly L, Mansion G, Negrini R, Paun O, Pellecchia M, Rioux D, Schönswetter P, Schüpfer F, Van Loo M, Winkler M, Gugerli F, IntraBioDiv consortium 2009. Biogeographic history of alpine plants: substrate ecology drives genetic structures. Ecology Letters 12: 632–640.
  • Jay F, Manel S, Alvarez N, Durand E, Thuiller W, Holderegger R, Taberlet P, François O 2012. Forecasting changes in population genetic structure of Alpine plants in response to global warming. Molecular Ecology 21: 2354–2368.
  • Manel S, Gugerli F, Thuiller W, Alvarez N, Legendre P, Holderegger R, Gielly L, Taberlet P, IntraBioDiv Consortium 2012. Broad-scale adaptive genetic variation in alpine plants is driven by temperature and precipitation. Molecular Ecology 21: 3729–3738.
  • Taberlet P, Zimmermann NE, Englisch T, Tribsch A, Holderegger R, Alvarez N, Niklfeld H, Mirek Z, Moilanen A, Ahlmer RW, Ajmone-Marsan P, Bona E, Bovio M, Choler P, Cieślak E, Coldea G, Colli L, Cristea V, Dalmas J-P, Frajman B, Garraud L, Gaudeul M, Gielly L, Gutermann W, Jogan N, Kagalo AA, Korbecka G, Küpfer P, Lequette B, Letz RD, Manel S, Mansion G, Marhold K, Martini F, Negrini R, Niño F, Paun O, Pellecchia M, Perico G, Piekos-Mirkowa H, Prosser F, Puscas M, Ronikier M, Scheuerer M, Schneeweiss GM, Schönswetter P, Schratt-Ehrendorfer L, Schüpfer F, Selvaggi A, Steinmann K, Thiel-Egenter C, van Loo M, Winkler M, Wohlgemuth T, Wraber T, Gugerli F, IntraBioDiv Consortium 2012. Genetic diversity in widespread species is not congruent with species richness in alpine plant communities. Ecology Letters 15: 1439–1448.
  • Thiel-Egenter C, Alvarez N, Holderegger R, Tribsch A, Englisch T, Wohlgemuth T, Colli L, Gaudeul M, Gielly L, Jogan N, Linder HP, Negrini R, Niklfeld H, Pellecchia M, Rioux D, Schönswetter P, Taberlet P, van Loo M, Winkler M, IntraBioDiv Consortium, Gugerli F 2011. Break zones in the distributions of alleles and species in alpine plants. Journal of Biogeography 37: 772–782.
  • Thiel-Egenter C, Gugerli F, Alvarez N, Brodbeck S, Cieslak E, Colli L, Englisch T, Gaudeul M, Gielly L, Korbecka G, Negrini R, Patrini M, Paun O, Pellecchia M, Rioux D, Ronikier M, Schönswetter P, Schüpfer F, Taberlet P, Tribsch A, Van Loo M, Winkler M, Holderegger R, IntraBioDiv Consortium 2009. Effects of life history traits on high-mountain plant genetic diversity: a multi-species, large-scale study across the Alps and the Carpathians. Global Ecology & Biogeography 18: 78–87.
  • Thiel-Egenter C, Holderegger R, Brodbeck S, IntraBioDiv Consortium, Gugerli F 2009. Concordant genetic breaks, identified by combining clustering and tessellation methods, in two co-distributed alpine plant species. Molecular Ecology 18: 4495–4507.
  • Tribsch A, Englisch T, Gugerli F, Holderegger R, Niklfeld H, Steinmann K, Thiel-Egenter C, Zimmermann NE, Taberlet P, IntraBioDiv Consortium 2010. Integrating data across biodiversity levels; the project IntraBioDiv. In: Körner C, Spehn EM (eds.), Data Mining for Global Trends in Mountain Biodiversity, 89–105. CRC/Taylor & Francis, Boca Raton.

vom IntraBioDiv Konsortium

  • Alvarez, N., Arrigo, N., IntraBioDiv Consortium 2008. An R (CRAN) scripts collection for computing genetic structure similarities based on STRUCTURE 2 outputs. Molecular Ecology Resources 8: 757–762.
  • Alvarez N, Manel S, Schmitt T, IntraBioDiv Consortium 2012. Contrasting diffusion of Quaternary gene pools across Europe: the case of the arctic-alpine Gentiana nivalis L. (Gentianaceae). Flora 207: 408–413.
  • Coldea G, Stoică I-A, Puşcaş M, Ursu T, Oprea A, IntraBioDiv Consortium 2009. Alpine–subalpine species richness of the Romanian Carpathians and the current conservation status of rare species. Biodiversity and Conservation 18: 1441–1458.
  • Ehrich D, Gaudeul M, Assefa A, Koch M, Mummenhoff K, Nemomissa S, IntraBioDiv Consortium, Brochmann C 2007. Genetic consequences of Pleistocene range shifts: contrast between the Arctic, the Alps and the East African mountains. Molecular Ecology 16: 2542–2559.
  • Manel S, Berthoud F, Bellemain E, Gaudeul M, Luikart G, Swenson JE, Waits LP, Taberlet P, IntraBioDiv Consortium 2007. A new individual-based spatial approach for identifying genetic discontinuities in natural populations. Molecular Ecology 16: 2031–2043.
  • Meirmans PG, Goudet J, IntraBioDiv Consortium, Gaggiotti OE 2011. Ecology and life history affect different aspects of the population structure of 27 high-alpine plants. Molecular Ecology 20: 3144–3155.
  • Mraz P, Gaudeul M, Gielly L, Choler P, Taberlet P, IntraBioDiv Consortium 2007. Genetic structure of Hypochaeris uniflora (Asteraceae) suggests vicariance in the Carpathians and rapid post-glacial colonization of the Alps from an eastern Alpine refugium. Journal of Biogeography 34: 2100–2114.
  • Paun O, Schönswetter P, Winkler M, IntraBioDiv Consortium, Tribsch A 2008. Historical divergence versus contemporary gene flow: evolutionary history of the calcicole Ranunculus alpestris group (Ranunculaceae) in the European Alps and the Carpathians. Molecular Ecology 17: 4263–4275.
  • Ronikier M, Cieślak E, Korbecka G 2008. High genetic differentiation in the alpine plant Campanula alpina Jacq. (Campanulaceae): evidence for glacial survival in several Carpathian regions and long isolation between the Carpathians and the Eastern Alps. Molecular Ecology 17: 1763–1775.
  • Tribsch A, Taberlet P, IntraBioDiv Consortium 2006. The EU-Project IntraBioDiv – Tracking surrogates for intraspecific biodiversity: towards efficient selection strategies for the conservation of natural genetic resources using comparative mapping and modelling approaches. In: Price MA (ed.), Global Change in Mountain Regions, 148–150. Sapiens Publishing, Duncow, Kirkmahoe, Dumfrieshire.
  • Winkler M, Tribsch A, Paun O, Englisch T, IntraBioDiv Consortium, Schönswetter P 2010. Pleistocene distribution range shifts were accompanied by breeding system divergence within Hornungia alpina (Brassicaceae) in the Alps. Molecular Phylogenetics and Evolution 54: 571–582.
 

Forschungspartner

  • Laboratoire d'Ecologie Alpine, Université Joseph Fourier
  • Istituto di Zootecnica, Università Cattolica del S. Cuore
  • Laboratoire de Botanique Evolutive, Université de Neuchâtel
  • Institute of Botany, University of Vienna
  • Institute of Botany, University of Regensburg
  • Univerza v Ljubljani
  • Conservatoire Botanique National Alpin - CBNA
  • Dipartimento di Biologia, Università di Trieste
  • Institute of Botany of Slovak Academy of Sciences
  • Institutul de Cercetari Biologice
  • Institute of Botany, Polish Academy of Sciences
  • Medias-France/IRD
  • Parc national du Mercantour
  • Parco Naturale Alpi Marittime
  • Museo Civico, Rovereto
  • Istituto per le Piante da Legno e l'Ambiente
  • Institute of Ecology of the Carpathians N.A.S. of Ukraine
  • Naturmuseum Südtirol, Museo Scienze Naturali Alto Adige