Jungwaldpflege im Laubmischwald Buechberg, Diessenhofen
Pro Jahr werden in der Schweizer Waldwirtschaft ca. 50 Mio. CHF in Jungwaldpflege investiert. In einem 7.3 ha grossen Feldexperiment wird untersucht, wie vier Pflegevarianten sich langfristig auf Baumartenvielfalt und Stammqualität auswirken. Dabei interessiert besonders, wie sich Mischbaumarten gegen die konkurrenzstarke Buche erhalten lassen.
Was ist Jungwaldpflege?
Unter Jungwaldpflege versteht man die Gesamtheit aller waldbaulichen Eingriffe in den Entwicklungsstufen Jungwuchs, Dickung und schwaches Stangenholz. Im Jungwuchs sind die 100 dicksten Bäume pro ha noch unter 1,3 m hoch, in der nachfolgenden Dickung liegt der Brusthöhendurchmesser (BHD) dieser Bäume unter 10 cm und im Stangenholz zwischen 10 und 20 cm.
Jungwaldpflege soll die Baumartenzusammensetzung gemäss den Zielen des Bewirtschafters lenken, die Stammqualität verbessern und die Resistenz der Bäume gegenüber mechanischen Belastungen (v.a. Schneelast) erhöhen.
Bei der Jungwaldpflege werden Bäume mit erwünschten Eigenschaften (gesund, raschwachsend, erwünschte Baumart, stabil, gerader Stamm mit durchgehender Achse, feine Äste; s. Abb. 1) durch Entfernen oder Schwächung ihrer Konkurrenten gefördert ("positive Auslese") oder Bäume mit unerwünschten Eigenschaften entfernt ("negative Auslese"). Die geförderten Bäume ("Kandidaten") werden so ausgewählt, dass ihre räumliche Verteilung der gedachten Verteilung in einem Altbestand entspricht ("Endabstand"). Es können auch weniger oder mehr Kandidaten gefördert werden.
Wie wirksam Jungwaldpflege ist und auf welche Eingriffe ohne grosse Nachteile verzichtet werden kann, wird im Projekt "Jungwaldpflege im Laubmischwald" untersucht.
Projektziele
Die Projektziele sind,
- verschiedene Verfahren der Jungwaldpflege in Laubwald-Mischbeständen zu testen und kostengünstige und zugleich wirksame Verfahren vorzuschlagen;
- in Zusammenarbeit mit der Forstpraxis eine Demonstrationsfläche solcher Pflegeverfahren aufzubauen.
Die vier Pflegevarianten
- Keinerlei Pflegeeingriffe (Kontrolle)
- 1. Eingriff 2014 bei Oberhöhe rund 12 m, Kandidaten im Endabstand.
- 1. Eingriff bei Oberhöhe rund 5 m, Kandidaten im Endabstand, Eingriffe 2007, 2014.
- Herkömmliche flächige Pflege, 500-700 Kandidaten pro ha, Eingriffe 2003, 2007, 2011, 2014.
Details zum Projekt
Projektdauer
2003 - 2019
Projektleitung
+41 44 739 24 86
Welche Methoden werden verwendet?
Das Projekt basiert auf einem Feldexperiment auf einer durch den Sturm Lothar (1999) geschaffenen, rund 25 ha grossen Sturmfläche in einem Laubmischwald bei Diessenhofen (Kanton Thurgau). Der Jungwald ist weitestgehend aus Naturverjüngung entstanden.
Die Versuchsfläche liegt in einem Waldmeister-Buchenwald (Waldgesellschaften 7a, 7f, 7g) in einer Höhenlage von 425-450 m und ist bei sanfter Hangneigung teils nach Norden, teils nach Westen exponiert. Waldeigentümer sind die Bürgergemeinde Diessenhofen und der Kanton Thurgau. Die Fläche wurde gewählt, weil ihre Grösse die Einrichtung eines Feldversuchs unter operationellen Bedingungen erlaubte und weil sie eine grosse Baumartenvielfalt aufweist.
Die Versuchsfläche ist 7,3 ha gross und als Blockversuch mit 4 Behandlungen (Pflegevarianten) und 4 Wiederholungen angelegt (Abbildung 2). Die 16 Teilflächen sind 0,34 bis 0,69 ha gross. Auf jeder Teilfläche wurden 30 Kandidaten markiert. An ihnen werden periodisch Merkmale wie der BHD, die Baumhöhe und die Stammform erfasst. Zudem wurde 2003 und 2014 eine Inventur des gesamten Jungwaldes auf 480 kreisförmigen Probeflächen durchgeführt (rund 10‘000 erfasste Bäumchen).
Die Pflegemassnahmen werden zwischen WSL und den beteiligten Forstbetrieben abgesprochen und von diesen mit Zeiterfassung pro Teilfläche ausgeführt.
Resultate und Praxisrelevanz
Die Resultate bis 2014 sind in einem Bericht (PDF) dokumentiert. Hier ein Auszug: Die Stammzahl der mindestens 20 cm grossen Bäumchen halbierte sich von 2003 bis 2014 von 31‘000/ha auf 15‘900/ha, die Grundfläche betrug 2014 durchschnittlich 19,6 m2/ha. Die 474 Kandidaten waren im Jahr 2014 durchschnittlich 10,7 m (± 0,2 m, einfacher Standardfehler) hoch und hatten einen BHD von 11,1 cm (± 0,3 cm); sie waren im Vergleich zu allen Bäumchen überdurchschnittlich dick (Abb. 3). Während im Jahr 2014 auf der ganzen Fläche Buchen mit 58% Anteil dominierten, hatten Hagebuchen 14%, Fichten 8%, Eschen 6% und Tannen 4% Anteil. Unter den Kandidaten hatten Buchen 41% Anteil, Eichen 12%, Kirschbäume 7%, Fichten 12% und Tannen 7%. Insgesamt kamen im Jungwald über 20 Baumarten vor (Abb. 3).
Die Pflegeeingriffe hatten bis 2014 folgende Wirkung: 1) Sie reduzierten die Grundfläche um etwa 25%; 2) sie erhöhten die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kandidat seinen Status bewahren konnte, dies auch bei Betrachtung aller Baumarten ohne Buche und Hagebuche; 3) sie verminderten den Verlust an Baumarten vermutlich leicht, und 4) sie (nur Verfahren D) verminderten die Baumhöhe geringfügig. Die Kosten der Eingriffe lagen bei 413 CHF/ha in Verfahren B, 2180 CHF/ha in Verfahren C und 5002 CHF/ha in Verfahren D. Die Kosten für das Erhalten eines Kandidaten der erwünschten Baumarten (ohne Buche und Hagebuche) von 2003 bis 2014 wird in Verfahren C auf 133 CHF geschätzt, in Verfahren D auf 188 CHF.
Insgesamt bestätigen die Ergebnisse, dass sich mit frühen Jungwaldpflege-Eingriffen Mischbaumarten zur Buche erhalten lassen, dass die Eingriffe allerdings kostspielig sind. Daher sollten sie zurückhaltend, räumlich konzentriert und nur dort angewendet werden, wo das Erhalten der Mischbaumarten wichtig ist.