Wald und Klima
Wälder sind gut für unser Klima. Diese Vorstellung ist weithin verbreitet und wenig hinterfragt. In den meisten Fällen trifft sie zu: Wälder entziehen der Atmosphäre während ihrem Wachstum CO2 und schwächen damit die Klimaerwärmung ab. Jedoch gibt es Regionen auf der Erde, wo diese einfache Gleichung nicht aufgeht. In borealen und alpinen Regionen ist ein weiterer Effekt zu berücksichtigen, der gegenteilig wirkt: Wälder absorbieren durch ihre dunkle Farbe einen Teil des Sonnenlichts und verringern dadurch die Rückstrahlung (Albedo) des Sonnenlichtes von der Erdoberfläche zur Atmosphäre. Infolge dieses Effekts erwärmt sich an diesen Orten die Atmosphäre, was dem kühlenden CO2-Effekt entgegen wirkt. In unserer Studie haben wir untersucht, welche Bilanz entsteht, wenn man diese beiden Effekte miteinander „verrechnet“.
Immer mehr Wald
Gerade in den Schweizer Alpen befindet sich der Wald seit einigen Jahrzehnten auf dem Vormarsch. Vor allem in höheren und schlecht zugänglichen Lagen werden immer mehr landwirtschaftliche Flächen aufgegeben. Dort kann allmählich wieder neuer Wald entstehen (Abb. 1). In unserem Forschungsprojekt sind wir der Frage nachgegangen, wie sich dieser zunehmende Wald auf unser Klima auswirkt.

Was bedeutet mehr Wald für die Strahlungsbilanz?
CO2 spielt grundsätzlich eine zentrale Rolle im Zusammenhang mit dem Treibhauseffekt, da es die Wärmestrahlung ausgehend von der Erdoberfläche absorbiert und dadurch zu einer Erwärmung beiträgt. Weniger CO2 in der Atmosphäre bedeutet, dass weniger langwellige Strahlung (Wärmestrahlung) auf ihrem Weg durch die Atmosphäre absorbiert wird (Abb. 2). Dies entspricht einer negativen Strahlungsbilanz - man spricht von einem negativen Strahlungsantrieb - , die eine Kühlung bewirkt. Eine verringerte Rückstrahlung (Albedo) bedeutet dagegen, dass mehr Sonnenlicht an der Erdoberfläche absorbiert wird und somit eine positive Bilanz entsteht, die in Erwärmung resultiert (Abb. 2). Um die Folgen einer Waldzunahme in der Schweiz auf das Klima abzuschätzen, verglichen wir diese beiden Effekte miteinander und schätzten damit die gesamte Strahlungsbilanz der Waldzunahme ab. Dazu verwendeten wir räumlich explizite gesamtschweizerische Datensätze über Waldveränderung (Arealstatistik), Kohlenstoffspeicherung, Schneedecke, Sonneneinstrahlung und Albedo. Diese Daten flossen als Eingangsgrössen in vereinfachte Strahlungsmodelle ein, mit deren Hilfe wir die Strahlungsbilanz mit hoher Auflösung berechnen konnten.

In höheren Lagen Albedo entscheidend
In unserer Untersuchung hat sich gezeigt, dass die Strahlungsbilanz der Waldzunahme in nahezu allen Regionen der Schweiz negativ ist, dass also der kühlende Effekt der CO2-Bindung durch den Wald überwiegt. In höheren Lagen geht die Strahlungsbilanz der Waldzunahme jedoch gegen null. In den Inneralpen gibt es sogar Gebiete, wo sie positiv ist, da der Albedo-Effekt den CO2-Effekt dominiert (Abb. 3). Diese Ergebnisse lassen sich folgendermassen erklären: In hohen Lagen sind unbewaldete Flächen über einen langen Zeitraum hinweg schneebedeckt. Diese Flächen reflektieren sehr viel Sonnenlicht. Wald dagegen ist auch bei Schneebedeckung noch sehr dunkel und absorbiert einen grossen Teil des Sonnenlichts. Der Unterschied in der Strahlungsbilanz zwischen unbewaldeten und bewaldeten Flächen ist also dort besonders gross, wo über längere Zeiträume hinweg Schnee liegt. Verstärkt wird dieser Unterschied durch eine hohe Sonneneinstrahlung. Zudem nimmt der Wald in höheren Lagen der Zentralalpen, die durch kältere Bedingungen und kürzere Wachstumsperioden geprägt sind, weniger CO2 auf als beispielsweise im Mittelland oder in den Voralpen. Der kühlende Effekt ist damit kleiner und kann noch leichter ausgeglichen werden (vgl. Abb. 3). Unterschiede gibt es auch zwischen verschiedenen Waldentwicklungsstadien: Beginnende Waldausdehnung auf vormals offenem Land wirkt sich zunächst stark auf die Albedo aus. Nachdem sich ein noch junger (offener) Wald etabliert hat, sinkt die Albedo nur noch wenig, dafür nimmt der Wald weiterhin sehr viel Kohlenstoffdioxid auf. Das bedeutet, dass sich eine negative Strahlungsbilanz durch Waldausdehnung vor allem dann einstellt, nachdem sich bereits ein junger bzw. offener Wald angesiedelt hat.
Waldausdehnung in schneereichen Gebieten könnte zu Erwärmung führen
Unsere Resultate zeigen, dass auch die Rückstrahlung von Sonnenlicht (Albedo) berücksichtigt werden sollte, wenn abgeschätzt wird, wie sich Waldveränderungen auf das Klima auswirken. Dies gilt besonders für schneereiche, höhere Lagen, wo Waldausdehnung letztlich zu einer positiven Strahlungsbilanz und damit zu einer Netto-Erwärmung der Atmosphäre beitragen kann. Auch die grossen Unterschiede der Strahlungsbilanz auf kleinem Raum und insbesondere entlang von Höhengradienten sowie Unterschiede zwischen verschiedenen Stadien der Waldentwicklung sprechen für eine differenzierte Betrachtung des Waldeinflusses auf das Klima.
Unsere Studie gibt einen neuen Einblick in die Strahlungsbilanz der Waldausdehnung. Die Strahlungsbilanz ist ein Indikator dafür, ob sich netto eine Erwärmung oder eine Abkühlung der Atmosphäre ergibt. Allerdings setzt eine Veränderung der Strahlungsbilanz eine Vielzahl von Energie- und Stoffflüssen in Gang, die den Effekt der Strahlungsbilanz auf die Temperatur der Atmosphäre verstärken oder dämpfen können. Diese Energie- und Stoffflüsse unterscheiden sich für Änderungen in der Strahlungsbilanz, die einerseits durch Albedoänderung und andererseits durch Kohlenstoffspeicherung hervorgerufen werden. Um also abzuklären, ob eine positive Strahlungsbilanz, wie wir sie in schneereichen Gebieten der Zentralalpen beobachten können, tatsächlich zu einer Erwärmung führt, müssen weitere Studien folgen. Insbesondere die Kopplung regionaler und globaler Klimamodelle könnte helfen, die Lücke zwischen Strahlungsbilanz und Temperatur zu schliessen.
Details zum Projekt
Projektdauer
2012 - 2015