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Klimawandel und Wintertourismus: Ökologische und ökonomische Auswirkungen von technischer Beschneiung

 

Schneesicherheit ist eine wichtige Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg des Wintertourismus. Schneemangel infolge Trockenheit oder hoher Temperaturen stellen die Wintertourismusdestinationen und vor allem die Bergbahnunternehmen vor grosse Herausforderungen. Als Adaptionsstrategie an wärmer werdende Temperaturen in Folge des Klimawandels, den zunehmenden Konkurrenzdruck unter den Destinationen und die gestiegenen Ansprüche der Touristen wird die Errichtung von Beschneiungsanlagen in den Alpen stark forciert.

Forschende des Eidg. Instituts für Schnee- und Lawinenforschung SLF, der Eidg. Forschungsanstalt WSL und der HSR Hochschule für Technik Rapperswil  untersuchten in diesem Forschungsprojekt die ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Auswirkungen von technischer Beschneiung anhand der drei Schweizer Tourismusregionen Davos, Scuol und Braunwald. Die Studie entstand in enger Zusammenarbeit mit Bergbahnvertretern, Gemeindevertretern und Tourismusfachleuten aus diesen drei Destinationen.

Mit dieser Studie beteiligte sich das SLF an dem von der EU unterstützten INTERREG IIIB Projekt “ClimChAlp - Climate change, impacts and adaptation strategies in the Alpine Space”.

Die Studie wurde am 07. Dezember 2007 im Rahmen einer Pressekonferenz veröffentlicht.

 

1. Einleitung

Ziel dieses Forschungsprojekts war es, die Bedeutung der Beschneiung für die Bergbahnbetreiber, die Tourismusdestination und die Gäste zu analysieren sowie deren Auswirkungen auf die regionale Wirtschaft, die Ressourcen (Energie und Wasser) und die Umwelt aufzuzeigen:

  • Leistet der Einsatz von Kunstschnee einen positiven Beitrag zur regionalen Wirtschaftsentwicklung der Gemeinde Davos?
  • Welche Bedeutung hat die technische Beschneiung für den Wintertourismus in den Schweizer Alpen aus Sicht der Gäste?
  • Wie verhalten sich Stakeholder der Seilbahnbranche und Gemeindevertreter in Bezug auf eine Klimaänderung?
  • Wie ist das Verhältnis von Wasser- und Stromverbrauch für die technische Beschneiung zum regionalen sowie zum Ressourcenverbrauch anderer touristischer Aktivitäten?
  • Mit welchen ökologischen Konsequenzen ist zu rechnen und auf was sollte beim Bau von Beschneiungsanlagen geachtet werden?
  • Ist es beim Eintreten der prognostizierten Temperaturerhöhungen noch möglich in den Skigebieten der Untersuchungsgebiete zu beschneien bzw. sind Investitionen in neue Beschneiungsanlagen noch rentabel?

Die Resultate dieser Studie tragen zur objektiven Betrachtung der Thematik „Technische Beschneiung“ bei und können als Entscheidungsgrundlage für die Planung und Umsetzung von Beschneiungsanlagen sowie für die Entwicklung alternativer Adaptionsstrategien im Zusammenhang mit der Klimaänderung dienen.

2. Neue Erkenntnisse

Einfluss der Schneesicherheit auf die regionale Wertschöpfung von Davos

Um die regionalwirtschaftlichen Effekte des Kunstschneeeinsatzes für eine Tourismusdestination zu analysieren, wurde für die Gemeinde Davos eine Wertschöpfungsanalyse durchgeführt. Die Analyse baut auf einem bestehenden regionalen Input-Output-Modell für die Landschaft Davos im Jahr 2002 auf. Das Modell bildet den Zusammenhang zwischen der Wertschöpfung in den verschiedenen Branchen und der Endnachfrage ab.

Die Analyse zeigt, dass der Tourismus den zentralen Wirtschaftsfaktor in Davos darstellt; 40% der Endnachfrage werden durch den Tourismus generiert. Der Wintertourismus trägt allein durch die touristische Nachfrage zu 26% des regionalen Volkseinkommens der Gemeinde Davos bei. Die Bergbahnen generieren einen Anteil von 5% am gesamten Davoser Volkseinkommen.

Aus den Berechnungen geht hervor, dass in Davos durch schneearme Winter ohne den Einsatz von Kunstschnee ein Verlust von bis zu 10% des regionalen Volkseinkommens auftreten könnte. Die Analysen zeigen deutlich, dass die gesamte Davoser Wirtschaft von der Kunstschneeproduktion durch die Bergbahnen profitiert.

Die Bedeutung technischer Beschneiung für den Wintertourismus in den Schweizer Alpen – Eine Gästebefragung in Davos, Scuol und Braunwald

 

Mit einer Gästebefragung wurden die Präferenzen der Touristen bei der Wahl ihrer Feriendestination analysiert sowie deren Einstellung gegenüber Schneearmut und der technischen Beschneiung als Anpassungsstrategie erörtert.

Die Befragung hat gezeigt, dass sich die Präferenzen der Gäste bei der Wahl der Feriendestination in den drei Untersuchungsgebieten teilweise stark von einander unterscheiden. Auch die Akzeptanz der technischen Beschneiung variiert örtlich und saisonal. Vor allem Wintersportler sind gegenüber Kunstschnee positiv eingestellt. Im Sommer befragte Gäste lehnen die technische Beschneiung mehrheitlich ab. Allerdings wird die Beschneiung im Vergleich zu früheren Studien generell mehr befürwortet. Die Auswertung hat ebenfalls verdeutlicht, dass Schneesicherheit bei der Wahl einer Feriendestination ein wichtiger, aber nicht der einzig entscheidende Faktor ist.

Klimaänderung, Schneearmut und technische Beschneiung - Adaptionsstrategien der Stakeholder

In Experteninterviews wurden verschiedene lokale Akteure der Seilbahnbranche und der evaluierten Gemeinden zu den gegenwärtigen und zukünftigen Anpassungsstrategien in Bezug auf die Klimaänderung und dem damit einhergehenden Schneemangel befragt.

Die Befragung hat gezeigt, dass den Experten der Klimawandel und die daraus resultierenden Veränderungen bewusst sind. Beschneiungsanlagen werden als entscheidende Massnahme zur Sicherung der Skisaison und zur Aufrechterhaltung der Wettbewerbsfähigkeit sowie als Marketinginstrument im Skitourismus betrachtet. Die Tourismusdestinationen haben jedoch auch erkannt, dass es zukünftig von Bedeutung ist, sich auf die regionalen Stärken zu konzentrieren und im Sommer wie im Winter ein vielfältiges, qualitativ hochwertiges Angebot zu präsentieren. Die Garantie der Schneesicherheit allein hilft nicht, um sich im Wettbewerb mit anderen Tourismusorten zu etablieren.

Ressourcenverbrauch der technischen Beschneiung

 

Die technische Beschneiung ist mit einem Aufwand an Energie und Wasser verbunden. In der vorliegenden Studie wurden deshalb der Wasser- und Stromverbrauch für die technische Beschneiung in den Untersuchungsgebieten analysiert und mit dem regionalen Energie- und Wasserverbrauch sowie dem Ressourcenverbrauch anderer touristischer Aktivitäten verglichen. Der jährliche Energieverbrauch für die Kunstschneeproduktion in den Untersuchungsgebieten beträgt 14'000 - 1.7 Mio. kWh. In Davos macht der Stromverbrauch für die Beschneiung ca. 0.5% des gesamten Energieverbrauchs der Gemeinde aus. Zum Vergleich beläuft sich der Energieverbrauch durch Wohnungen auf 32.5% des Gesamtenergieverbrauchs der Gemeinde Davos.

Der Wasserverbrauch durch die technische Beschneiung ist im Verhältnis zum Energieverbrauch und zum gesamten Trinkwasserverbrauch der untersuchten Gemeinden sowie zu anderen touristischen Aktivitäten beträchtlich (20-35% des gesamten Wasserverbrauchs der Region).

Die ökologischen Auswirkungen technischer Beschneiung

Die ökologischen Auswirkungen der technischen Beschneiung zeichnen sich bei Vegetation, Boden, Tieren und Gewässern ab. Die Auswirkungenunterscheiden sich stark nach Region, Höhenlage etc.. Dennoch lassen sich als Grundsätze für Auswirkungen auf die Vegetation ableiten, dass 1) Kunstschnee zwar zum Teil Vegetation und Boden mechanisch schützen kann, die mechanischen Schäden auf Skipisten aber allgemein hoch sind, 2) Kunstschnee Vegetation und Boden vor Frost schützen kann, 3) die späte Ausaperung auf Kunstschneepisten sich auf die Vegetationszusammensetzung auswirkt, 4) Ionen- und Wassereintrag dort unproblematisch sind, wo Wiesen oder Weiden ohnehin landwirtschaftlich gedüngt werden, aber bei nährstoffarmer Vegetation, z.B. Mooren oder Magerrasen zu vermeiden sind, 5) Artendiversität und Produktivität auf beiden Pistenarten (Kunst- und Naturschnee) verringert sind.

Ebenfalls haben aktuelle Untersuchungen zur Bodenstabilität gezeigt, dass eine diverse Vegetation, standortgerechte Pflanzenarten sowie symbiotische Bodenpilze massgeblich zur Bodenstabilität und zur Verringerung von Erosionsschäden nach dem Bau von Beschneiungsanlagen und bei Pistenplanierungen beitragen.

Folgen der Klimaänderung: Schneedecke und Beschneiungspotenzial der Untersuchungsgebiete

 

Um die Schneesicherheit kurzfristig zu garantieren, wird oft in umfangreiche Beschneiungssysteme investiert, ohne die zukünftige Entwicklung der Schneedecke und der Beschneibarkeit im Zusammenhang mit einer Klimaänderung in die Überlegungen einzubeziehen. Regionale Klimaszenarien wurden verwendet, um die Entwicklung der Schneedecke sowie die zukünftige Möglichkeit der Beschneiung in den Untersuchungsgebieten zu berechnen.

Aus den Resultaten geht hervor, dass die natürliche Schneesicherheit (mind. 100 Tage mit einer Schneehöhe ≥ 30 cm vom 1.12. - 15.04.) bereits heute für einige der untersuchten Skigebiete im Bereich der Talstationen (ca. 1'200 m ü. M.) nicht mehr gegeben ist und bis 2050 unter den prognostizierten Temperaturveränderungen auch in den mittleren Höhenlagen der Skigebiete (ca. 1'500 m ü. M.) nur noch teilweise gewährleistet sein könnte. In Bezug auf die Möglichkeit der technischen Beschneiung könnte die Grundbeschneiung im Frühwinter im Bereich der Talabfahrten bereits 2030 nur noch teilweise realisiert werden. Eine Alternative wäre die Investition in leistungsfähige Zubringeranlagen.

3. Fazit

Die Ergebnisse der Studie und die Diskussion der einzelnen Themenkomplexe zeigen, dass sich die drei Untersuchungsgebiete Davos, Scuol und Braunwald nicht nur klimatisch und aufgrund ihrer Höhenlage, sondern auch durch ihr touristisches Angebot, ihre Gästestrukturen und ihre Tourismusstrategien deutlich unterscheiden. Im Hinblick auf den zunehmenden Konkurrenzdruck und das sich ändernde Klima gilt es, die regionalen Stärken zu nutzen, um ein vielfältiges, qualitativ hochwertiges Sommer- und Winterangebot zu entwickeln und somit konkurrenzfähig zu bleiben.

Die technische Beschneiung ist für höher gelegene Destinationen wie Davos und Scuol ein möglicher Weg, den Skitourismus im Winter zu fördern. Die wirtschaftlichen Kosten und Nutzen der technischen Beschneiung sowie die ökologischen Auswirkungen sollten bei der Planung von neuen Beschneiungsanlagen sorgfältig geprüft werden. Dabei bedarf es der Zusammenarbeit aller beteiligter Akteure wie Bergbahnen, Gemeinde und Tourismus.

 

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