Antworten auf konkrete Fragen zum "Ideenaustausch"

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Warum braucht es einen speziellen Rahmen für den Ideenaustausch?

 

Der Austausch von Ideen ist im öffentlichen Bereich mit einigen Schwierigkeiten verbunden, da Wünsche und Ideen oft vorschnell als übertriebene Ansprüche missverstanden werden. Dies kann leicht Missstimmung und Konflikte hervorrufen und führt oft dazu, dass Gedanken nicht frei geäussert und folglich auch nicht ausgetauscht werden. Diese Blockade hat dann zur Folge, dass wichtige Fragen und Probleme gar nicht mehr diskutiert werden und damit der Weg zu einer Lösung versperrt ist. Um diese Blockade abzubauen und einen offenen Ideenaustausch zu ermöglichen, müssen deshalb drei Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Es braucht einen "geschützten Ort", d.h. einen Rahmen, der erkennbar macht, dass der Ideenaustausch ausserhalb des Gewohnten steht und eigene Regeln kennt.
  • Es braucht klare Spielregeln, welche die aktive Beteiligung der Anwesenden zu einem anerkannten, normalen Verhalten machen.
  • Die BewohnerInnen müssen motiviert werden, am Ideenaustausch mitzumachen. Dies lässt sich nicht durch eine Verpflichtung, sondern nur durch Anreize (Interesse, Neugierde, Attraktionen) erreichen.
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Wozu braucht es Spielregeln für den Ideenaustausch und wie lauten sie?

 

Der Ideenaustausch verdient seinen Namen nur, wenn sich (möglichst viele) BewohnerInnen aktiv am Austausch beteiligen. In welchem Ausmass dies gelingt, hängt u.a. davon ab, wie viel Erfahrung die BewohnerInnen in Beteiligungsverfahren haben, wie stark die soziale Kontrolle wirkt und wieviel Engagement und Interesse die BewohnerInnen der Mitgestaltung entgegenbringen.

Werden die BesucherInnen zu einer Beteiligung gedrängt, die ihnen zu weit geht, werden sie sich zurückziehen. Ein schwach besuchter Ideenaustausch kann jedoch den Mitgestaltungsprozess zum Scheitern bringen, weil der Rückhalt in der Bevölkerung zu gering ist. Die Hemmschwelle muss folglich so tief sein, dass sich die BewohnerInnen nicht eingeengt, ausgestellt oder verpflichtet fühlen. Andererseits sollte nicht auf eine aktive Beteiligung des Publikums verzichtet werden, weil dies der Idee der Mitgestaltung widerspricht.

Die Schwierigkeit liegt also darin, eine gute Balance zu finden zwischen dem Anliegen, möglichst viele BesucherInnen anzulocken und dem Ziel, einen möglichst intensiven Ideenaustausch zu erreichen. Mit speziellen Spielregeln kann eine Atmosphäre geschaffen werden, die eine Beteiligung fördert, ohne sie zu einer Pflicht zu machen. Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, eher eine tiefe Hemmschwelle zu wählen und vielleicht bei einem nächsten Mal eine aktivere Beteiligung anzustreben. Mitgestaltung muss und kann gelernt werden.

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Wie sieht ein Ideenaustausch konkret aus?

 

Im folgenden skizzieren wir vier Varianten eines Ideenaustausches (mit steigender Beteiligung der BesucherInnen):

In der Regel sehr tief ist die Hemmschwelle bei einer Ausstellung, in der die gesammelten Ideen und Wünsche öffentlich präsentiert werden. Die BesucherInnen können z.B. aufgefordert werden, ihre Zustimmung zu einzelnen Ideen zu äussern. Dies kann dadurch geschehen, dass die BesucherInnen ihnen zugeteilte Punkte zu Ideen kleben, denen sie zustimmen möchten. Dadurch wird ersichtlich, welche Ideen besonders grossen Rückhalt geniessen und deshalb weiter bearbeitet werden sollten. Eine andere Möglichkeit liegt darin, dass die BesucherInnen einen Zettel mit ihrem Namen in eine Urne werfen, und damit ihre Zustimmung zu einer Idee oder ihre Bereitschaft, bei der weiteren Bearbeitung mitzuwirken, bekunden.

Eine solche Ausstellung bietet den Vorteil, dass die Organisatoren (das Dorfforum oder die externe Begleitung) sich darauf beschränken können, die Infrastruktur bereitzustellen (Stellwände, Signalisation), während die beteiligten Gruppen selbst für die Präsentation ihre Beiträge besorgt sind.
Die BesucherInnen können die ausgestellten Beiträge betrachten, und es gibt weder den Druck, sich zu äussern, noch die Notwendigkeit, sich zu etwas zu verpflichten. Schwer wiegt hingegen der Nachteil, dass keine Möglichkeit besteht, eigene Meinungen und Ideen direkt einzubringen und gemeinsam Ideen weiterzuentwickeln. Ein wirklicher Austausch kommt auf diese Weise nicht zustande.

Die gesammelten Ideen können auch im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung präsentiert werden, die durch das Dorfforum oder die externe Begleitung organisiert wird. Die Präsentation in einer moderierten Veranstaltung erfordert ein weit grösseres Engagement der Organisatoren, da sie den Ablauf des Anlasses planen und u.U. auch die Präsentation der Ideen übernehmen müssen.

Um eine aktivere Beteiligung des Publikums zu ermöglichen, sollte eine Gelegenheit zur Diskussion und zur Bewertung der einzelnen Ideen eingeräumt werden. Nach der Veranstaltung sollte zudem klar sein, welche Schwerpunkte (Themen, Ideen, Projekte) weiterverfolgt werden und wer dabei mitarbeiten möchte.

"Midanänd wytterslüägä" - Präsentation der Wünsche und Ideen für das Urner Bergdorf Isenthal
Im November 1994 wurde in Isenthal eine grosse Schlussveranstaltung durchgeführt, um die von der Landwirtschaftlichen Beratungszentrale Lindau (LBL) in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Ingenieurschule für Landwirtschaft und der Universität Zürich organisierten Projektwoche abzuschliessen. Die zuvor in Küchentischgesprächen und Ortsbegehungen gesammelten Ideen und Wünsche der Bevölkerung wurden von den externen Studierenden und Beratern präsentiert. Rund 120 Isenthaler und Isenthalerinnen waren zu der Schlussveranstaltung gekommen, um die Lieder, Sketche, Kurzreferate anzuhören und sich die Plakatausstellung anzusehen. Die phantasievollen Darbietungen kamen bei den Einheimischen gut an und 65 Personen trugen sich in die ausgelegten Listen ein, um an einzelnen Ideen weiterzuarbeiten.

Matthias Diener (1995): Participatory Rural Appraisal (PRA) im Urner Bergdorf - Neue Methode der Entwicklungsplanung mit Beteiligten angewandt. In: Berater-Information 2/1995, S. 11-14. Herausgegeben von der Landwirtschaftlichen Beratungszentrale Lindau. Siehe auch www.lbl.ch.

Noch einen Schritt weiter geht eine interaktive Veranstaltung. Darunter ist eine Ausstellung zu verstehen, bei der die Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit haben, eigene Beiträge zur (sich laufend erweiternden) Ausstellung zu leisten. Spielregeln legen fest, wie man sich daran beteiligen kann. Dies kann auf verschiedenste Art und Weise geschehen, z.B. in Form von Spielen, Experimenten, Bewertungsmöglichkeiten (Noten oder Punkte verteilen), Kommentaren, Urnen zum Einlegen von Ideen etc.

Ideenbasar in Hindelbank
Die Mitglieder des Dorfforums in Hindelbank motivierten verschiedene Gruppen dazu, Ideen für ihr Dorf zu entwickeln, die in Form von Ausstellungsbeiträgen auf einem öffentlichen Ideenbasar präsentiert wurden. Daraus entstanden ganz unterschiedliche Beiträge, ein grosser Teil davon von Kindern und Jugendlichen des Dorfes. Der Ideenbasar war interaktiv angelegt und die Spielregeln wurden mittels eines Ausstellungsführers vermittelt. Verschiedene Aufgaben waren zu lösen, z.B. Ideen prämieren und mit Punkten bewerten, ein Fotoexperiment durchführen u.ä. Auf Listen konnten sich die Besucherinnen und Besucher für die Weiterarbeit bei einzelnen Projekten einschreiben. Der Ideenbasar zog sehr viele Bewohner und Bewohnerinnen an und war ein wichtiger Meilenstein innerhalb des Mitgestaltungsprozesses in Hindelbank.

Die Variante des Ideenaustauschs mit der höchsten Hemmschwelle stellt die Ideenwerkstatt der. Sie bietet jedoch gleichzeitig die Möglichkeit, bereits in dieser Phase die Ideen weiterzubearbeiten. Eine Ideenwerkstatt kann in besonders idealen Fällen (grosses Interesse und grosse Offenheit der BewohnerInnen) auch ohne vorherige Ideensuche veranstaltet werden. Erfolgsversprechender ist jedoch auch hier ein Ideenaustausch in Kombination mit einer Ausstellung. In einer Ideenwerkstatt diskutieren die Teilnehmenden - angeregt durch die Ausstellung Anliegen und Ideen, welche an der Ausstellung starken Resonanz gefunden haben, und entwickeln diese weiter. Durch diese aktive Auseinandersetzung wächst bei den Teilnehmenden die Identifikation mit den besprochenen Ideen und Projekten.

Eine Ideenwerkstatt kann in Anlehnung an die Methode der Zukunftswerkstatt durchgeführt werden. In der Zukunftswerkstatt versuchen BewohnerInnen gemeinsam wünschbare, mögliche, aber auch vorläufig unmögliche Zukunfts-Szenarien zu entwerfen und die Umsetzbarkeit zu überprüfen.

Zukunftswerkstatt
Zukunftswerkstätten eignen sich gut für die Beteiligung der Bevölkerung an Planungsprozessen sowie als ersten Impuls für die Bildung von Arbeitsgruppen und Initiativen aller Art. Der Ablauf der Zukunftswerkstatt ist in drei Phasen gegliedert:

  • In der Kritikphase können die Teilnehmenden ihrem Unmut freien Lauf lassen und äussern, was ihnen im Zusammenhang mit dem fraglichen Thema missfällt. Auf diese Weise wird sichtbar, welche Verhältnisse und Umstände negativ bewertet werden.

  • In der Phantasiephase werden anschliessend positive Situationen und Vorstellungen zum fraglichen Thema entworfen, wobei es von zweitrangiger Bedeutung ist, ob diese Ideen und Visionen sinnvoll und realisierbar sind. Die Phantasie wird bewusst eingesetzt.

  • Die in der Phantasiephase entwickelten Utopien werden dann in der Realisierungsphase hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und ihrer Machbarkeit diskutiert.

Eine wesentliche Qualität von Zukunftswerkstätten besteht im Freisetzen und Nutzen der Kreativität der Beteiligten. Manche Teilnehmenden lehnen es ab, sich auf die Phantasiephase einzulassen, da sie ihnen zu "unernst" erscheint und sie gleich zu machbaren Lösungen kommen wollen. Die Moderation sollte jedoch trotzdem an dieser wichtigen mittleren Phase festhalten, gibt sie doch Anstoss, bislang gewohnte Denkweisen und Lösungsmuster in Frage zu stellen und nach neuen Wegen zu suchen. Wenn möglich sollten die Teilnehmenden am Ende der Zukunftswerkstatt klären, wie die erzielten Ergebnisse weiter bearbeitet werden. Deshalb sollten der Verlauf und die Ergebnisse der Zukunftswerkstatt stets gut dokumentiert werden.

Links zum Thema Zukunftswerkstatt finden Sie in der Plattform.

Robert Jungk/ N.R. Müllert (1989): Zukunftswerkstätten. Mit Phantasie gegen Routine und Resignation, München.

Ulrich Lipp/ Hermann Will (1996): Das grosse Workshop-Buch. Konzeption, Inszenierung und Moderation von Klausuren, Besprechungen und Seminaren, Weinheim/Basel.

Zukunftswerkstatt im Rahmen der Lokalen Agenda 21 in Pleidelsheim/Deutschland
Nach intensiver Öffentlichkeitsarbeit, einer Auftaktveranstaltung und einer "Agenda-21-Bauwagen-Woche" (von Jugendlichen zur Information der Bevölkerung durchgeführt), wurde im Juli 1998 in Pleidelsheim eine Zukunftswerkstatt veranstaltet. 25 EinwohnerInnen folgten der Einladung im Gemeindeblatt und setzten sich an einem Abend mit der Zukunft ihres Dorfes auseinander. In einer ersten Runde war die Frage zu beantworten, warum sie einem Freund raten würden nach Pleidelsheim zu ziehen. Dabei wurden viele liebenswerte Aspekte des Ortes zusammengetragen. Mit der Utopiephase hatten einige Teilnehmer Schwierigkeiten, da ihnen ein von Sachzwängen losgelöster Blick in die Zukunft schwer fiel. Hingegen wurde in der Realisierungsphase sehr konstruktiv gearbeitet. Als wichtigste Themen erwiesen sich Dorfkultur, ein innerörtliches Radwegekonzept und die Öffentlichkeitsarbeit zur "Lokalen Agenda". In der Auswertungsrunde zeigten sich die Teilnehmenden positiv überrascht, wie kurzweilig so ein langer Arbeitsabend sein kann, und zeigten sich sehr motiviert zur Weiterarbeit.

Literatur: Agenda-Büro der Landesanstalt für Umweltschutz Baden-Württemberg (1998: Aktionsinfo 16: Lokale Agenda in der kleinen Gemeinde Pleidelsheim. Bestellen unter Telefon 0049-721-983 1406, oder www.uis-extern.um.bwl.de/lfu/.

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© WSL / Home / AutorInnen / 17.05.2006