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 Forschung für Grossflächige Schutzgebiete

 

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Diskussionsforum Grossschutzgebiete (abgeschlossen)

Anlässlich des Forums für Wissen 2002 wurde ein Diskussionsforum zum Thema Grossschutzgebiete lanciert. Die eingegangenen Beiträge sind geordnet nach Eingangsdatum und versehen mit Name, Organisation und Titel:

 

Vermehrter Wildschutz unter Einbezug der Jugend
Georg Iten, V-ZUG, Sonnenweg 22, 634O Baar, 20 Jan 2003

Weiträumige Wildschutzgebiete sollten der Erstellung von Wildkorridoren dienen, was z.B. dem Rotwild den genetischen Austausch von Erbanlagen ermöglicht, und einer Verinselung der Wildbestände entgegenwirkt. In Nationalparks sollten vermehrt Jugend-Lager durchgeführt werden um unsere Jugend mit dem Verhalten des Wildes vertraut zu machen mit dem Ziel, dass das erworbene Wissen an die Mitmenschen weitergegeben wird, was zu einer Entspannung in der Natur zu Gunsten des Wildes beiträgt.

 

 

Visibilité de la recherche dans les zones protégées
Prof. Daniel Cherix, Commission de recherche du Parc national suisse, Lausanne, 10 Dez 2002

Un point important et souvent négligé par les chercheurs, plus préoccupés - ce qui est raisonnable - par la publication de leurs résultats dans des revues de qualité, est sans doute la transmission de leurs résultats vers le grand public. Si aujourd'hui la visibilité de la recherche dans les médias a fait de grands progrès, il n'en demeure pas moins que la recherche dans les grandes zones protégées doit faire partie intégrante de cette démarche. En effet, notre expérience au Parc national suisse a montré par exemple que les chercheurs sont encore souvent considérés comme des personnes "étrangères" à la région et bénéficiant de libertés que les habitants de la région n'ont pas. Or, il est indispesable que le concept même de "recherche dans les grandes zones protéées" soit discuté et que l'intérêt et l'utilité des recherches entreprises soient démontrés. Ceci permet d'une part une meilleure compréhension et acceptation par les populations locales et apporte d'autre part des éléments indispensables à la gestion de ces espaces.

 

 

Ohne erhöhte Schutzbereitschaft kein wirksamer Schutz
Dr. Hans Weiss, Bern, 2 Dez 2002

Mit grossen und grösseren Schutzgebieten, seien sie nun qua Raumplanung oder durch Einzelerlass oder als Vertragsschutzgebiet entstanden bzw. festgelegt, etabliert sich meist eine in der Bevölkerung und bei Behörden mehr oder weniger anerkannte Schutzwirkung im Sinne von: man darf nicht mehr alles, es gibt Restriktionen, aber die sind nötig oder haben sich bewährt, dienen der Fauna und Flora, der Schönheit des Landschaftsbildes, dem Tourismus oder haben mitgeholfen, einen Missbrauch zu stoppen. Solche Wirkungen haben Tradition und so gesehen trugen Schutzgebiete seit den Anfängen wesentlich zu einer allgemeinen Sensibilisierung und Differenzierung in der Wahrnehmung von Naturwerten bei.

Wieweit mit der breiten Kampagne und Schaffung von Grossschutzgebieten nicht eine Schwächung des Schutzes der "übrigen Landschaft" einhergeht, ist offen und bedarf einer sorgfältigen Abklärung. Auch früher wurde nie ausdiskutiert, ob beispielsweise die Festlegung von (übrigens nur ungenügend geschützten BLN-Gebieten) nicht mit einer Aufweichung der Praxis für alle "nicht-BLN-Gebiete" erkauft wurde. Nicht dass am rechtlichen oder planerischen Status der nicht inventarisierten Gebiete materiell etwas geändert worden wäre. Aber die Meinung ist noch heute und selbst in der Bundesverwaltung und bei Recht anwendenden Behörden aller Stufen verbreitet, BLN-Gebiete bzw. Inventarobjekte genössen einen besonderen Schutz, was aber eine largere Praxis in der Interessenabwägung für alle übrigen Räume nach sich zieht. Diese Praxis zementiert einen breiten öffentlichen Konsens im Sinne von "man kann schliesslich nicht alles schützen."

Meine zu prüfende These: Es besteht so etwas wie ein Nullsummenspiel oder eine absolute Limitierung der summierten Schutzbereitschaft im gesellschaftlichen und politischen System. So lange diese Schutz-Bereitschaft nicht erhöht wird, hat die Ausweisung grosser Schutzgebiet eine Schwächung des Natur- und Landschaftsschutzes ausserhalb derselben zur Folge. Darüber hinaus entfalten Schutzgebiete Randeffekte und eine schwer abzuschätzende Magnetwirkung, die nur schwer zu steuern sind. Mit dem Argument "wohnen am Rande der geschützten Landschaft" steigen Bodenpreise und wird die Ausscheidung von Pufferzonen mit Bauverbot (etwa bei geschützten See- und Flussufern) besonders schwierig oder unmöglich. Es wäre zu klären, ob nicht auch Grossschutzgebiete ausser- oder innerhalb ihrer Randzonen und am Rande ihrer Kerngebiete nicht ähnliche Effekte zeitigen. Ein Beispiel, wo man die Entwicklung in dieser Richtung verfolgen konnte, ist die Riederalp, wo bis auf den Grat zum bestehen Naturschutzgebiet Aletschwald hinauf gebaut wurde. In Italien erscheinen in eben diesen Tagen ganzseitige farbige Inserate, welche Publikum aus dem oberitalienischen Raum für die wintertouristischen Stationen im Aletschgebiet anwerben. Die Inserate enthalten mit bemerkenswerter Unbekümmertheit Pläne mit den (beschneiten) Skipisten und Bahnen und als Stempelaufdruck "Il nostro Patrimonio UNESCO". Dieses Beispiel mag ein harmloser Werbegag sein, liefert aber dennoch einen Hinweis auf diesen Rand- und Magneteffekt von Grosschutzgebieten, welche per saldo sicher keine Förderung des Naturschutzes bringen.

 

 

Anliegen zeitgemäss - koordiniertes Vorgehen unerlässlich
Dr. Theo Hunziker, ehem. Abteilungschef Natur- und Heimatschutz, 4952 Eriswil/BE, 1 Dez 2002

Zweifellos sind in unserem kleinen und dicht besiedelten Land alle Gelegenheiten beim Schopf zu packen, die den Landschaftsschutz voranzubringen versprechen. Dazu gehört, ergänzend zum Schutz von Einzelobjekten und Biotopen sowie der Förderung des Natur- und Landschaftsschutzes in der Land- und Waldwirtschaft auch die Verwirklichung grossflächiger Schutzgebiete. Die Forschung wird sich dabei sowohl in der Vorbereitungs- als auch in der Realisierungsphase und beim anschliessenden Gebietsunterhalt als unentbehrliche Stütze erweisen. Die Tagung hat es verstanden, das Anliegen in aktueller und umfassender Weise zur Sprache zu bringen und so als Ansporn zur Schaffung grossflächiger Schutzgebiete zu dienen.

Zu Recht wurde von vielen Referenten betont, dass die Lösung des Problems die Mitwirkung von Kantonen, Gemeinden und der ortsansässigen Bevölkerung erfordert. Doch darf dies nicht dazu führen, dass die Anliegen des Natur- und Landschaftsschutzes bis zur leeren Worthülse verkommen. Auch darf dabei nicht vergessen werden, dass bei drohender Gefährdung eines schutzwürdigen Gebietes sich nach wie vor gesetzlich verankerte Schutzmassnahmen gegen den Willen Betroffener aufdrängen können.

Der Stellungsnahme der SANW ist zu entnehmen, dass diese eine federführende Rolle im Bereich der nationalen Koordination der Schutzgebietsforschung wahrnehmen will. Aufgrund ihrer Aufgabe und erwiesenen Kompetenz im Bereich der anwendungsorientierten Landschaftsforschung in der Schweiz wird auch der WSL eine Schlüsselrolle in der Schutzgebietsforschung zukommen müssen. Es ist wohl anzunehmen, dass SANW und WSL angesichts des zu erwartenden erhöhten Forschungsbedarfs ihren Einsatz zum Vorteil der Sache in engem Schulterschluss tätigen werden.

 

 

Genetische Vielfalt
Dr. Felix Gugerli, WSL, Birmensdorf, 19 Nov 2002

Ein wichtiges Kriterium bei der Ausscheidung von Schutzgebieten stellen die Habitatvielfalt die damit korrelierende Arten-Diversität dar. Diese beiden Ebenen der Variation beinhalten wichtige Komponenten genetischer Diversität. Für die Erhaltung v.a. seltener Arten ist jedoch auch die innerartliche genetische Variation von grosser Bedeutung, welche oft nur durch die Vernetzung von Populationen (Stichwort: Metapopulation) erhalten bleibt. Soweit mir bekannt, wurde diesem Auswahlkriterium bei Schutzgebieten bisher noch nie Beachtung geschenkt, könnte aber für das langfristige Bestehen von Populationen seltener Arten von grosser Bedeutung sein.

 

 

Instrument oder Prozess?
Dr. Kurt Bollmann, WSL, Birmensdorf, 19 Nov 2002

Aktuelle Bestrebungen im Bereich Grossschutzgebiete scheinen nach dem Grundsatz 'schützen und nutzen' abzulaufen. Dies haben verschiedene ReferentInnen und Teilnehmer auf dem Podium deutlich zum Ausdruck gebracht. Entsprechend erstaunte auch nicht, dass praktisch nur über Prozesse gesprochen wurde. Verwundert hat mich hingegen, dass weder die zuständigen Stellen des Bundes noch die Forschung die Frage stellen, welche Anforderungen bzw. Kriterien an zukünftige Grossschutzgebite zu stellen sind, um einen entscheidenden Beitrag für den Schutz und die Förderung der Vielfalt an Landschaften, Lebensräumen und Arten zu liefern. Immerhin stellt der Gebietsschutz das Rückgrat des Naturschutzes dar und Grossschutzgebiete hätten das Potential, sich zu einem der griffigsten Instrumente im Biodiversitätsschutz mitteleuropäischer Kulturlandschaften zu entwickeln. Also, wer hält das nächste Mal ein Referat zum Thema: 'Welche Grossschutzgebiete braucht die Schweiz?'

 

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14.01.04