Antworten auf konkrete Fragen zur "Ideensuche"

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Worum geht es bei der Ideensuche und was ist dabei zu beachten?

 

Das Ziel der Ideensuche ist das Zusammentragen von möglichst vielen Wünschen, Ideen, Anliegen, Vorschlägen etc. Es geht (noch) nicht darum, diese Beiträge zu bewerten oder ihre Realisierbarkeit abzuschätzen. Die Ideensuche ist in erster Linie ein (durchaus ernst gemeintes!) Gedankenspiel, das möglichst viel und möglichst verschiedenes "Material" für die folgenden Phasen liefern soll.

Dieses offene, unbeschwerte Zusammentragen von Ideen ist äusserst wichtig. Es zeigt sich nämlich immer wieder, dass viele Menschen originelle Verbesserungsvorschläge und Ideen haben, diese aber aus Angst vor negativen Reaktionen für sich behalten. Sie sind zwar bereit, im vertrauten Kreis über ihre Anliegen und Ideen zu sprechen, wenn es aber darum geht, sie nach aussen zu tragen, wehren sie ab. Dahinter steht die Angst, sich den (negativen) Reaktionen der anderen auszusetzen. Diese Angst ist nicht unbegründet, denn allzu schnell werden neue Ideen mit Einwänden wie "Das geht sowieso nicht!", "Das will doch sonst niemand!", "Das ist viel zu teuer!" etc. zunichte gemacht, und die UrheberInnen werden persönlich blossgestellt. Das führt so weit, dass wir oft darauf verzichten, neue Ideen und Gedanken zu äussern oder gar nicht mehr daran denken, dass man etwas verändern könnte.

Diese Selbst-Zensur ist ein grosse Hindernis bei der Suche nach neuen Ideen und Lösungen. Bei der Ideensuche muss deshalb versucht werden, sie (zumindest vorübergehend) auszuschalten. Dies kann durch eine spielerische Atmosphäre gefördert werden, die es einfach und lohnenswert macht, auch ungewöhnliche Ideen und Vorschläge frei zu äussern. Eine Moderation durch eine erfahrene und neutrale Person kann viel zu einem offenen und anregenden Klima beitragen. Wenn sich alle Beteiligten ernst genommen fühlen und die Ideen, nicht die Personen im Zentrum stehen, gibt es keinen Grunde mehr, sich vor Blossstellung zu fürchten.

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Wer übernimmt die Vorbereitung, Durchführung und Auswertung der Ideensuche?

 

Organisation, Begleitung und Auswertung der Ideensuche bedeuten in den meisten Fällen einen beträchtlichen Aufwand. Die Mitglieder des Dorfforums werden in der Regel kaum über genügend Zeit verfügen, um alle Aufgaben selber zu übernehmen. Vor allem in grösseren Gemeinden empfiehlt es sich deshalb, eine Person (z.B. eine externe Begleitung) zu beauftragen, die als Ansprechstelle für alle zugänglich ist, die die Fäden zieht, den Überblick wahrt und die erarbeiteten Beiträge sammelt. Auch die Moderation von Veranstaltungen und die Begleitung und Beratung von Gruppen und Personen sind Aufgaben, die sehr gut einer externen Begleitung übertragen werden können. Das Dorfforum wird dadurch nicht zur Untätigkeit verurteilt: es behält die "Aufsicht" über die Ideensuche, unterstützt die externe Begleitung, vermittelt Kontakte zu Personen und Gruppen und bemüht sich um eine breite Beteiligung der BewohnerInnen.

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Wie kommt man zu Ideen? Wie führt man eine Ideensuche konkret durch?

 

Es gibt viele Möglichkeiten, Ideen zu sammeln. Erfolgreich erprobt sind u.a. Ideenwettbewerbe, schriftliche oder mündliche Befragungen, Küchentischgespräche, Ideenwerkstätten, moderierte Workshops, Projektwochen in Schulen etc. Das Dorfforum muss sich überlegen, welche der unten beschriebenen Möglichkeiten (oder auch andere) im Hinblick auf das angestrebte Ziel und die vorhandenen Möglichkeiten sinnvoll sind. Mit einem breiten Spektrum von Angeboten gelingt es eher, viele BewohnerInnen aus verschiedenen Bevölkerungskreisen anzusprechen.

Ideenwettbewerb
Bei einem Ideenwettbewerb kann jede und jeder allein oder gemeinsam mit anderen Ideen einbringen, ohne sich direkt öffentlich zu exponieren. Als Anreiz kann das Dorfforum Preise aussetzen. Ein Ideenwettbewerb kann thematisch offen ausgeschrieben werden; es empfiehlt sich aber, einen bestimmten Ort (z.B. Dorfplatz, altes Haus am Dorfrand, freies Areal neben der Schule) oder bestimmte Sachfragen (Verkehr, Dorfleben, Erholung) vorzugeben.

Schriftliche Befragung
Auch bei einer schriftlichen Befragung liegt die Beteiligungsschwelle vergleichsweise tief, sofern der Fragebogen einfach und kurz ist. In der Befragung kann die Lebensqualität thematisiert werden (z.B. in bezug auf Lärm, Luft, Natur, Einkaufsmöglichkeiten), es können aber auch aktuelle Probleme und strittige Fragen ermittelt werden. Befragungen geben einen ersten Eindruck, wie die Bevölkerung zu ihrem Dorf steht und wo sie sich Veränderungen wünscht. Die Befragung selbst wirkt bewusstseinsfördernd, da man sich mit Fragen der Entwicklung des Dorfes auseinandersetzt, und sie macht neugierig auf die weiteren Schritte der Mitgestaltung. Eine Befragung sollte aber nur in Ergänzung zu weiteren Methoden durchgeführt werden.

Die Zusammenstellung eines Fragebogens bedarf einiger Sorgfalt, und die Befragung selbst ist relativ aufwendig. Vielleicht könnte diese Arbeit durch Oberstufenklassen (allenfalls gegen Belohnung) ausgeführt werden. Es lohnt sich, hier mit der Schule Kontakt aufzunehmen.

Befragung von Einheimischen und Touristen in Feldis
Die Oberstufenschule von Rhäzuns wurde in das Projekt "Feldis 2000" miteingebunden, indem Klassen der Oberstufe Einheimische und Touristen zur Lebens- und Erholungsqualität in Feldis befragten. Diese Zusammenarbeit diente sowohl der Gemeinde, die dadurch Datenmaterial erhielt, als auch den Schülerinnen und Schülern, die für die Gemeindeangelegenheiten sensibilisiert wurden und in einem praktischen Projekt mitarbeiten konnten. Zudem wurden auch Workshops an der Schule durchgeführt und ein Profil "So sehen wir Schülerinnen und Schüler Feldis" erarbeitet.

Bestehende Gruppen einbeziehen
Ein guter Weg, um eine Auseinandersetzung mit Wünschen und Ideen anzuregen, sind Gespräche und Diskussionen in kleineren oder grösseren Gruppen. Die Mitglieder des Dorfforums müssen versuchen, möglichst viele Bevölkerungskreise anzusprechen und für eine Mitarbeit zu gewinnen. In jeder Gemeinde gibt es verschiedene Gruppen, die bereits organisiert sind, und die relativ einfach angegangen werden können (Vereine, Behörden, Kirche, Gewerbe etc.). Diese Gruppen und Institutionen können eine Ideensuche entweder in eigener Regie durchführen, oder - sofern dies vorgesehen ist - die Unterstützung des Dorfforums bzw. einer externen Begleitung in Anspruch nehmen. Die Gruppen sollten wählen können, ob sie sich in der Lage fühlen, die Diskussion selbst zu organisieren oder ob sie Unterstützung beiziehen möchten.

Als Leitschnur für die Diskussionen in den Gruppen eignen sich folgende Fragen:

  • Wo stehen wir? Was ist unser Beitrag zum Gemeindeleben? Was haben wir erreicht?
  • Was wünschen wir uns für die Zukunft der Gruppe, der Gemeinde?
  • Was kann verbessert werden, in unserer Gruppe, in der Gemeinde, und wie könnte das geschehen?
  • In welchen Bereichen würden wir gerne mit anderen zusammenarbeiten?

Im Hinblick auf die nächste Prozessphase ist darauf zu achten, dass die Ergebnisse der Diskussionen (die Ideen, Wünsche und Anliegen der Gruppe) in eine Form gebracht werden, in der sie der Öffentlichkeit präsentiert werden können. Besonders gut eignen sich dazu Poster, mit Texten, Skizzen, Kartenausschnitten, Fotos etc.

Lokale Agenda 21 in Illnau-Effretikon
«Bereits im Vorfeld der Lokalen Agenda 21 in Illnau-Effretikon wurden Arbeiten durchgeführt, die dazu dienten, die Meinungen und Ansichten verschiedener Bevölkerungsgruppen einzuholen. Die Fragen lauteten: Wie sehen die Bedürfnisse in der Gemeinde heute aus, wie könnten sie morgen aussehen - und was ist eine wünschbare Zukunft? Die SAGUF (Schweizerische Akademische Gesellschaft für Umweltforschung und Ökologie; Initiatorin und Organisatorin des Projektes) suchte das Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern verschiedener Gruppen, dazu gehörten Exekutive, Parteien, Schule, Familienverein, Frauenverein, Jugendarbeit, Kirche, Medien und Gewerbe, später auch Naturschutz und Landwirtschaft. Diese überlegten sich ihre Ziele für eine wünschbare Zukunft der Gemeinde, beschrieben bereits bestehende Projekte und Ideen, die in die gewünschte Richtung weisen und nannten mögliche Indikatoren, die den Fortschritt auf dem gewählten Weg anzeigen können. Die Gespräche dienten auch dazu, die Erfolgschancen eines weitergehenden Prozesses auszuloten. Ohne eine genügend breite Unterstützung wäre ein Abbruch des Vorhabens nicht ausgeschlossen gewesen.»

Aus: Pierre Fornallaz u.a. (1998): Wünschbare Zukunft - Nachhaltige Entwicklung von Illnau-Effretikon. In GAIA 7/1998, S. 140-143.

Veranstaltungen für nicht-organisierte BewohnerInnen
Ebenso wichtig ist es, BewohnerInnen einzubeziehen, die nicht in Parteien, Vereinen oder anderen Gruppierungen organisiert sind und sich nur in geringem Masse öffentlich artikulieren (z.B. Zugezogene, junge Eltern, SeniorInnen, Kinder, Jugendliche, AusländerInnen). Sie haben oft ein distanziertes Verhältnis zu den dörflichen Institutionen und sind im Dorfleben wenig präsent; um so wichtiger ist es, sie in die Mitgestaltung einzubeziehen.

Dies kann z.B. durch moderierte Workshops (z.B. für junge Frauen mit Kindern, AusländerInnen, SeniorInnen, Jugendliche) geschehen. Die Mitglieder des Dorfforums oder auch die externe Begleitung sprechen die Leute telefonisch oder brieflich direkt an und laden sie zu einer Veranstaltung ein. Interessant sind auch Gespräche in gemischten Gruppen, z.B. mit Eingesessenen und ZuzügerInnen, mit Landwirten und KonsumentInnen etc.

Ein anderer Weg, um nicht-organisierte Bevölkerungskreise einzubeziehen, sind Einzelgespräche. Sie erlauben es, vertieft mit BewohnerInnen ins Gespräch zu kommen und ihre Wünsche und Anliegen kennenzulernen. Einzelgespräche haben den Vorteil, dass ungezwungen über verschiedene Dinge geredet werden kann. Sie können zu Hause, in geschützter Umgebung, stattfinden, wo man nicht befürchten muss, für Ideen ausgelacht oder gleich in die Pflicht genommen zu werden. Wichtig ist, dass den Interviewten zugesichert wird, dass im Zuge der weiteren Arbeitsschritte nicht bekannt wird, von wem einzelne Ideen oder Standpunkte stammen.

Einzelgespräche sind relativ aufwendig. Auch bei dieser Methode ist es möglich, dass Personen aus dem Dorf oder Quartier diese Aufgabe übernehmen. Doch können sich in diesem Fall Probleme ergeben, wenn die Befragerin aus dem Dorf stammt und deshalb nicht neutral ist oder wenn sich Befragerin und Befragte kennen. Bessere Erfahrungen wurden mit externen Interviewern gemacht, da Befragende und Befragte einander unvoreingenommen gegenübertreten können. Eine günstige Lösung wäre die Mitarbeit von Oberstufenklassen aus benachbarten Gemeinden - möglicherweise im gegenseitigen Austausch.

Küchentischgespräche in Urnäsch
In Urnäsch wurden 1996 im Rahmen des Projekts "Mitenand vorwärts" von der Bevölkerung Zukunftsperspektiven für die Gemeinde entwickelt. Methodisch angeleitet wurde dieser Prozess von der Landwirtschaftlichen Beratungszentrale Lindau (LBL) in Zusammenarbeit mit Studierenden der Schweizerischen Ingenieurschule für Landwirtschaft und dem ethnologischen Seminar der Universität Zürich. Dabei wurde nach der PRA-Methode (Participatory Rural Appraisal) vorgegangen. Diese Methode erlaubt, innerhalb kurzer Zeit zusammen mit der Bevölkerung so viel Wissen und Erfahrung über eine Gegend zusammenzutragen als nötig ist, um Fragen und Probleme aber auch Chancen und konkrete Vorhaben für eine zukünftige Entwicklung ans Licht zu bringen. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei den "Gesprächen am Küchentisch" zu. Etwa ein Dutzend Studierende besuchten im Rahmen der Projektwoche dreissig Urnäscher Familien, um sich mit ihnen etwa zwei Stunden intensiv über ihre Gemeinde zu unterhalten; aktuelle Probleme kamen dabei ebenso zur Sprache wie Ideen für die Zukunft. Die anonymisierten Ergebnisse der Gespräche wurden von den Studierenden in einer Schlussveranstaltung der Bevölkerung präsentiert. An dieser Veranstaltung konnten sich interessierte Personen für die Weiterarbeit an einzelnen Ideen melden.

Beteiligung der Schulen
Die Schulen spielen eine wichtige Rolle bei der Mitgestaltung und können ganz besonders bei der Entwicklung von Ideen wertvolle Impulse geben:

  • Kinder besitzen ein grosses Phantasiepotential und entwickeln leicht kreative Ideen.
  • Durch die Mitarbeit der Kinder können auch ansonsten wenig engagierte BewohnerInnen in ihrer Verantwortung und ihrem Interesse angesprochen und für die Mitgestaltung gewonnen werden.
  • Kinder sind das (Mitgestaltungs-)Potential der Zukunft. Je früher sie aktiv Mitgestaltung lernen und proben, desto besser.

Besonders günstig ist es, wenn sich eine ganze Schule im Rahmen einer Projektwoche mit Verbesserungsmöglichkeiten im Dorf auseinandersetzt. Möglich ist aber auch eine klassenweise Mitarbeit im Rahmen des Normalstundenplans. Dabei sind die Themen und die Formen der Auseinandersetzung stufengemäss zu definieren (vgl. auch Themenvorschläge):

  • Kinder unterer Stufen entwickeln ihre Ideen am besten auf gestalterischem Weg (Zeichnungen, Modelle, Pläne) und beschränken sich auf vertraute Orte (Spielplatz, Schulweg).
  • Kinder mittlerer Stufen können Visionen und Ideen auch beschreiben und - möglicherweise auch mit Hilfe von Zukunftswerkstätten - Ideen zur Verbesserung des ganzen Dorfes entwickeln (Mischung Phantasie / sprachliches Vermögen)
  • Jugendliche oberer Stufen können sich z.B. im Rahmen von Semesterarbeiten mit ihrem Lebensraum und seiner Entwicklung auseinandersetzen (Beschreibung des Dorfes, Lieblingsorte und unangenehme Orte, Veränderungswünsche und -visionen).
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© WSL / Home / AutorInnen / 17.05.2006