SSP-CH: Sozioökonomische Szenarien für die Schweiz

In einem breit angelegten partizipativen Prozess werden mögliche, plausible Zukunftsbilder unserer Gesellschaft in Abhängigkeit relevanter Treiber und deren Ausprägung entwickelt. Die erarbeiteten Narrative und die qualitativen und quantitativen Beschreibungen der relevanten Treiber sollen als Grundlage dienen für langfristige, strategische Planungs- und Entscheidungsprozesse.

Wie sieht die Schweiz 2100 aus? Was beeinflusst unsere Gesellschaft am Ende des 21. Jahrhunderts?

Sozioökonomische Systeme sind komplex. Sie sind nichtlinear, disruptiv, haben Rückkopplungen und Kipppunkte, ihre Entwicklung ist unsicher und schwer vorhersehbar. Die Zukunft lässt sie weder beobachten noch messen. Für die Entwicklung langfristiger Strategien und als Entscheidungsgrundlagen, werden daher vermehrt Szenarien eingesetzt, die mögliche Zukünfte beschreiben. Szenarien sind keine Vorhersagen oder Prognosen, sondern "eine plausible und vereinfachte Beschreibung, wie sich die Zukunft auf der Grundlage einer kohärenten und in sich konsistenten Reihe von Annahmen über die wichtigsten treibenden Kräfte und Beziehungen ausgestalten könnte".

Das Projekt Sozioökonomische Szenarien für die Schweiz wird durch das National Centre for Climate Services NCCS gefördert und im Rahmen des Programms «Entscheidungsgrundlagen für den Umgang mit dem Klimawandel in der Schweiz" (NCCS-Impacts) durchgeführt.

Methodisches Vorgehen Szenarioentwicklung

Um die SSP-CH zu entwickeln, wurden vier Schritte durchgeführt. Im ersten Schritt führten wir Fokusgespräche zu 22 sozioökomischen Bereichen mit 59 Wissenschaftler:innen von 20 Schweizer Hochschulen der Deutsch- und Westschweiz . In den Gesprächen wurden Zukunftsprojektionen für das Jahr 2100 zu den sozioökomischen Bereichen entwickelt. Im zweiten Schritt wurden diese Zukunftsprojektionen mithilfe einer Szenarioberechnungs-Software auf ihre Konsistenz (d.h. wie gut sie in ihren Entwicklungen zusammenpassen) untersucht. Konsistente Projektionen wurden zu vier Rohszenarien zusammengefügt. Ein fünftes Rohszenario wurde von den Forschenden in Anlehnung an die internationalen Shared Socioeconomic Pathways aus den Zukunftsprojektionen entwickelt. Die Rohszenarien wurden im vierten Schritt in fünf Stakeholder-Workshops in der Deutschschweiz und der Romandie diskutiert und mit Inhalten angereichert. Die Workshops waren offen für alle, um Personen mit diversen beruflichen und persönlichen Hintergründen in die Entwicklung der SSPs einzubeziehen. Im letzten Schritt wurden die Ergebnisse aus den Workshops von den Forschenden auf Konsistenz mit den Rohszenarien geprüft und zu den SSPs für die Schweiz (SSP-CH) ausgearbeitet.

 

 

Modularer Aufbau des Projektes

Das Projekt Sozioökonomische Szenarien für die Schweiz SSP-CH besteht aus fünf Modulen.

Im Modul 1 wird das methodische Vorgehen konzipiert, Bedürfnisse abgeklärt und Stakeholder und Fachexperten für den Szenarioprozess identifiziert.

Im Modul 2 werden SSP-Narrative für die Schweiz entwickelt: Mit einem explorativen, zukunftsoffenen Ansatz, unter Einbezug relevanter Fachpersonen und Stakeholder, werden qualitative sozioökonomische Szenarien erarbeitet.

Im Modul 3 soll die Landnutzung und CO2-Emissionen für jedes entwickelte Zukunftsbild (SSP1-CH-SSP5-CH) bis ins Jahr 2100 modelliert werden, einmal mit und einmal ohne zusätzlichen Klimapolitiken (SPAs siehe unten).

Im Modul 4, werden Shared Policy Assumptions für die Schweiz (SPA-CH) formuliert.

Im Modul 5 wird eine Produktepalette aus den Resultaten der Module 1-4 entwickelt zur geeigneten Kommunikation gegenüber verschiedenen Zielgruppen.

 

Die Globalen Shared Socioeconomic Pathways SSPs

Die Shared Socioeconomic Pathways wurden für den 6. IPCC-Bericht erstellt. Sie beschreiben fünf unterschiedliche globale mögliche Zukünfte unserer Gesellschaft im 21. Jahrhundert und dies im Spannungsfeld zwischen Herausforderungen im Klimaschutz und Klimaanpassung. Für diese fünf Narrative wurden die Bevölkerung, das Bruttoinlandprodukt und der Urbanisierungsgrad (auf Länderebene) sowie die Bereiche Energienutzung, Landnutzung, Emissionen und Luftschadstoffe (für 5 Weltregionen) modelliert. Sämtliche Daten können auf der IIASA-Datenbank bezogen werden.

Die globalen SSPs (basic-SSPs) werden ergänzt mit einer Vielzahl an nationalen, regionalen oder sektorspezifischen SSPs (extended-SSPs).

Die fünf Narrative beschreiben folgende mögliche sozioökonomischen Zukünfte:

SSP1: Nachhaltige und kooperative Gesellschaft mit einer kohlenstoffarmen Wirtschaft und hohen Anpassungsfähigkeit an Strukturbrüche sowie Bereitschaft zur Transformation. (Geringe Herausforderung in Klimaschutz und -anpassung)

SSP2: Weiter wie bisher: Moderates Wirtschaftswachstum, weiterhin Einsatz fossiler Energieträger. Umweltbelastungen dauern an. (Mittlere Herausforderung in Klimaschutz und -anpassung)

SSP3: Zunehmender Protektionismus, Deglobalisierung und Konkurrenz. Ressourcenbedarf ist hoch, es entstehen Machtgefälle und Konflikte. (Grosse Herausforderung in Klimaschutz und -anpassung)

SSP4: Ungleiche Verteilung von Ressourcen zwischen und innerhalb der Staaten. Folgen sind schwacher gesellschaftlicher Zusammenhalt bis Unruhen. (Geringe Herausforderung in Klimaschutz und grosse Herausforderung in Klimaanpassung)

SSP5: Technologieabhängige Welt mit globalisierter, stark wachsender Wirtschaft, ist in hohem Masse von fossiler Energie abhängig. (Grosse Herausforderung in Klimaschutz und geringe Herausforderung in Klimaanpassung)

 

Das SSP-RCP-SPA-Framework

Das globale SSP-RCP-SPA-Rahmenwerk besteht aus verschiedenen Komponenten: (i) den 5 SSP-Narrativen (ii) den dazugehörigen Inputtabellen (semiqunatitative Beschreibung der Schlüsselfaktoren) (iii) den Basic Elements (Quantifizierungen von GDP, Bevölkerung und Urbanisierung), (iv) den Baseline-Szenarien (IAM), (v) den Shared Policy Assumptions (SPAs), (vi) den Representative Concentration Pathways (RCPs) und (vii) den Mitigationszenarien.

Die Repräsentativen Konzentrationspfaden (den Representative Concentration Pathways RCPs) wurden bereits für den 5. IPCC entwickelt. Sie legen Änderungen des Strahlungsantriebs im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter bis Ende des 21. Jahrhunderts fest (so weist z.B. das RCP 2.6 eine Zunahme des Strahlungsantriebs von 2.6 W/m2 auf im Jahr 2100 im Vergleich zum Jahr 1850).

Der modellierte Strahlungsantrieb der SSP-Baseline-Szenarien (welche keine zusätzlichen klimapotitischen Massnahmen beinhalten) erreichen 2100 eine Spannbreite des Strahlungsantriebs zwischen RCP 6.0 und 8.5. Werden die SSPs mit verschiedenen SPAs kombiniert, können, je nach Baseline-Szenario, unterschiedliche RCP-Levels erreicht werden. Somit kann die Effektivität verschiedener Klimapolicies aufgezeigt und modelliert werden (Mitigationsszenarien).