Unbekannte Welt unter den Füssen – neue Wege zur Erfassung der Bodenorganismen

Böden zählen zu den artenreichsten Lebensräumen der Erde – über die Hälfte der weltweiten Biodiversität ist unter unseren Füssen verborgen. Neben den Mikroorganismen erfüllt die Bodenfauna zentrale ökologische Funktionen. Diese „unsichtbare“ Lebenswelt, das sogenannte Edaphon, ist entscheidend für die Funktionalität unserer Böden: Sie zersetzt organisches Material, reguliert den Nährstoffkreislauf, speichert Kohlenstoff, baut Schadstoffe ab, kontrolliert Schädlingspopulationen, unterstützt das Pflanzenwachstum und trägt zur Bodenstruktur bei. Leider wissen wir heute noch sehr wenig über die biologische Vielfalt in Böden und deren Veränderungen durch Schadstoffeinträge, Bodenbearbeitung und Klimawandel – nicht zuletzt, weil die Erfassung dieser Organismen methodisch aufwändig und taxonomisch anspruchsvoll ist.

Im Rahmen unserer Forschung untersuchen wir die Diversität und Zusammensetzung verschiedener Gruppen der Bodenfauna – von winzigen Fadenwürmern (Nematoden) über Mikroarthropoden wie Springschwänze und Milben bis hin zu Enchyträen und Regenwürmer. Dabei vergleichen wir drei methodische Ansätze:

  1. Klassische morphologische Bestimmung
    Diese bewährte Methode basiert auf dem direkten Nachweis der Organismen: Regenwürmer werden von Hand aus dem Boden gelesen und bestimmt, Nematoden und Mikroarthropoden vorgängig durch die Oostenbrink oder Macfadyen Methode aus dem Boden isoliert und mikroskopisch identifiziert.

  2. DNA-Metabarcoding direkt aus Bodenproben (Boden-DNA)
    Hier wird die im Boden enthaltene DNS extrahiert und analysiert. Diese Methode ist schnell, effizient und erlaubt, viele Arten gleichzeitig nachzuweisen – auch solche, die tot oder nur als Fragmente vorliegen.

  3. DNA-Metabarcoding von der isolierten Bodenfauna (z. B. Nematoden-DNA)
    Bei diesem Ansatz werden die Tiere zunächst aus dem Boden isoliert und danach molekulargenetisch identifiziert. Diese Kombination der klassischen Extraktion mit Molekulargenetik bietet eine hohe Spezifität und Sensitivität, und erlaubt eine direkte Zuordnung der genetischen Daten zu bestimmten Tiergruppen.

Warum ein Methodenvergleich?

Die traditionelle morphologische Bestimmung hat den Vorteil, dass sie direkt beobachtbare Merkmale berücksichtigt und oft eine genaue Zuordnung lebender Tiere ermöglicht – vor allem bei bekannten Arten mit gut dokumentierten Merkmalen. Gleichzeitig ist sie jedoch zeitintensiv, erfordert viel taxonomisches Fachwissen und ist besonders bei kleinen, kryptischen oder juvenilen Formen (z. B. Larvenstadien) nur eingeschränkt möglich. Zudem sind viele Gruppen – insbesondere Mikroarthropoden – in ihrer Artenzahl so gross, dass eine vollständige Erfassung praktisch unmöglich ist.

DNA-Metabarcoding dagegen ermöglicht eine schnelle und standardisierbare Erfassung der Boden-Biodiversität über einen genetischen Fingerabdruck. Dabei werden bestimmte Marker-Gene aus einer Bodenprobe extrahiert und mittels Hochdurchsatz-Sequenzierung analysiert. So können zahlreiche Arten – auch solche, die mit dem Mikroskop nicht identifizierbar sind – gleichzeitig erkannt werden. Ein grosser Vorteil ist, dass auch Fragmente, Eier oder tote Organismen erfasst werden. Allerdings ist die Methode stark abhängig von der Qualität und Vollständigkeit der Referenzdatenbanken, was insbesondere bei wenig untersuchten Tiergruppen wie bestimmten Milben oder Enchyträen derzeit noch eine Herausforderung darstellt. Ausserdem erlaubt das DNA-Metabarcoding noch keine Aussagen über die Individuenzahl oder die Lebensstadien der Organismen.

Was haben wir bisher untersucht?

Im Rahmen mehrerer Studien haben wir die Bodenlebensgemeinschaften in verschiedenen Lebensräumen und unter unterschiedlichen Umweltbedingungen analysiert – z. B. in einem langjährig bewässerten Trockenwald in der Schweiz sowie an 29 Standorten des Schweizerischen Bodenbeobachtungsnetzes (NABO) mit verschiedenen Landnutzungen (Wald, Ackerland, Grünland). Dabei haben wir gezielt Nematoden, Regenwürmer, Enchyträen sowie Mikroarthropoden (Milben, Springschwänze) untersucht – jeweils sowohl durch klassische Bestimmung als auch durch DNA-Metabarcoding.

Die Ergebnisse zeigen, dass sich beide Methoden gut ergänzen: Während die morphologische Bestimmung wertvolle Referenzdaten liefert und Aussagen über Abundanz und Ökologie erlaubt, erfasst das DNA-Metabarcoding oft eine höhere Diversität, insbesondere von schwer identifizierbaren Gruppen. So wurden mit dem DNS-Ansatz zusätzliche Arten entdeckt, die mit klassischen Methoden übersehen wurden.

Ziel und Bedeutung des Projekts

Regenwürmer und Nematoden wurden in einer aktuellen EU-Strategie als Schlüsselindikatoren für die Bodenqualität identifiziert. Sie sind nicht nur weit verbreitet, sondern reagieren empfindlich auf Belastungen wie Verdichtung, Überdüngung oder Pestizide. Trotz ihrer zentralen Funktion wurden diese Gruppen im nationalen Bodenmonitoring der Schweiz (NABO) bisher nur punktuell berücksichtigt. Ihre Einbindung ist daher ein wichtiger Schritt hin zu einem umfassenderen Bild der Bodenökologie.

Unser Ziel ist es, die Boden-Biodiversität umfassender, schneller und standardisierter erfassen zu können. Der direkte Vergleich beider Methoden liefert wichtige Hinweise zur Weiterentwicklung von Monitoringprogrammen und kann langfristig helfen, die Boden-Biodiversität als zentrales Element der ökosystemaren Dienstleistungen besser zu bewerten und zu schützen. Gleichzeitig tragen wir mit unseren Arbeiten zur Erweiterung genetischer Referenzdatenbanken bei, die für die zuverlässige Anwendung molekularer Methoden unverzichtbar sind.

Die Erfassung der Boden-Biodiversität ist nicht nur eine wissenschaftliche Herausforderung, sondern auch eine gesellschaftlich relevante Aufgabe – denn nur, was wir kennen, können wir auch erhalten.

Nutzung und Beitrag zu Edaphobase

Zur Einordnung und Validierung unserer Ergebnisse nutzen wir unter anderem die Edaphobase-Datenbank, eine frei zugängliche Wissensplattform, die Informationen zu Bodenorganismen aus wissenschaftlicher Literatur, Monitoringprogrammen und Museumssammlungen bündelt. Sie umfasst Daten zu Vorkommen, Ökologie und Verbreitung verschiedener Bodenfauna – insbesondere Regenwürmer, Enchyträen, Springschwänze und Milben – und erlaubt damit die Charakterisierung von typischen Lebensgemeinschaften als Referenzwerte für die Boden-Biodiversität und die Erarbeitung von Indikatoren für gewisse Stressoren.

Um die Forschung weiter zu stärken und zur Datenverfügbarkeit beizutragen, stellen wir auch unsere eigenen Ergebnisse Edaphobase zur Verfügung. So fördern wir den offenen Austausch von Bodenbiodiversitätsdaten und leisten einen Beitrag zur langfristigen Beobachtung und zum Schutz dieser oft übersehenen, aber zentralen Lebensgemeinschaften im Boden.

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