Der Einfluss der Raumplanung auf die Siedlungsentwicklung in Deutschland und der Schweiz

Eine vergleichende Analyse von Steuerungskapazitäten und -wirkungen

Hintergrund

In Deutschland und der Schweiz lässt sich eine anhaltend hohe Inanspruchnahme von Flächen für Siedlungs- und Verkehrszwecke und eine zunehmende Zersiedelung der Landschaft beobachten. Negative Folgen sind unter anderem hohe Infrastrukturfolgekosten, eine Fragmentierung der Landschaft sowie der Verlust fruchtbarer Böden und ökologisch wertvoller Gebiete. Zudem führt die begrenzte Verfügbarkeit von Fläche häufig zu Flächennutzungskonflikten. Initiativen wie die Schweizer „Zersiedelungsinitiative“ (2018) und die bayerische Inititiative „Betonflut eindämmen“ (2019) zeigen, dass diese Problematik in Deutschland und der Schweiz in der gesellschaftlichen Debatte an Bedeutung gewonnen hat.

Zur überörtlichen Steuerung der Siedlungsentwicklung und Koordination raumbedeutsamer Interessen gibt es in der Schweiz die kantonale Richtplanung und in Deutschland die Landes- und Regionalplanung. Diese „überörtliche Raumplanung“ ist in beiden Ländern gesetzlich verankert und hat im europäischen Vergleich eine äusserst hohe Bedeutung. Wichtiges Instrument sind die rechtsverbindlichen Raumordnungspläne. Durch ihre ähnliche Organisation der Raumplanung und ihren föderalen Staatsaufbau sind Deutschland und die Schweiz prädestiniert für vergleichende empirische Forschung. Bislang gibt es eher wenige Studien, welche die überörtliche Raumplanung in Deutschland und der Schweiz gegenüberstellen. 

Bis heute ist in den Planungswissenschaften unklar, was überörtliche Raumplanung steuerungsfähig macht, wie sie funktioniert, welche Rolle verschiedene Akteure dabei spielen und welche Wirkungen sie unter welchen Umständen erzielt. Mithilfe einer Governance-Perspektive lassen sich diese Erkenntnislücken bearbeiten. Die Betrachtung von regional governance capacities kann dazu beitragen die Funktionsweise der überörtlichen Raumplanung besser zu verstehen. Regional governance capacities können definiert werden als die potenziellen Fähigkeiten und tatsächlichen Leistungen der in die überörtliche Raumplanung involvierten Akteure, raumbezogene Interessen zu koordinieren und die Siedlungsentwicklung gezielt zu steuern.

Ziel und Forschungsfragen

Ziel des Projekts ist es, die Bedeutung von regional governance capacities für die Koordination raumbezogener Interessen und die überörtliche Steuerung der Siedlungsentwicklung durch die Analyse von Beispielen aus Deutschland und der Schweiz herauszuarbeiten.

Im Projekt werden die folgenden Fragen beantwortet:

  • Wie können wir regional governance capacities der überörtlichen Raumplanung konzeptualisieren und messen?
  • Wie können wir die Ergebnisse der überörtlichen Raumplanung analysieren und messen und warum stimmen diese nicht immer mit den Intentionen der Planung überein?
  • Wie gehen Akteure mit Raumordnungsplänen in der Planungspraxis um und welche Faktoren beeinflussen diesen Umgang?

Insgesamt soll das Projekt dazu beitragen, besser zu verstehen, wie überörtliche Raumplanung in Deutschland und der Schweiz funktioniert und welche Wirksamkeit ihr dabei in Bezug auf die Eindämmung der Flächeninanspruchnahme zukommt.

 

Methodik

Das Forschungsprojekt basiert auf einer umfangreichen Literaturrecherche. In einer multiplen Fallstudienanalyse werden drei Planungsregionen in Deutschland und drei Kantone in der Schweiz untersucht. Zum Einsatz kommen qualitative Erhebungs- und Auswertungsmethoden wie Experteninterviews, Dokumentenanalysen und Beobachtungen. In einem ersten Schritt wird ein Analysekonzept für regional governance capacities entwickelt und dessen Anwendbarkeit anhand einer Einzelfallstudie am Beispiel des Kantons Zürich überprüft. In einem zweiten Schritt wird ein Analysekonzept zum besseren Verständnis der Ergebnisse von Planung entwickelt. Dieses Analysekonzept wird verwendet, um konkrete Planungsfälle in Deutschland und der Schweiz zu untersuchen und zu klären, warum Planungsergebnisse nicht immer mit planerischen Intentionen übereinstimmen. Im dritten Schritt wird der Fokus auf die konkrete Planungspraxis, d.h. den Umgang mit Raumordnungsplänen im planerischen Alltag, gelegt. Anhand mehrerer Fälle in der Schweiz und in Deutschland wird untersucht, wie Akteure mit Raumordnungsplänen umgehen und von welchen Faktoren Planungspraxis wie beeinflusst wird.

Ergebnisse

Die bislang erzielten Ergebnisse am Beispiel der Raumplanung im Kanton Zürich zeigen, dass sich regional governance capacities innerhalb einer Region unter einem Raumordnungsplan je nach Teilregion und Sachlage unterschiedlich ausgestalten können. Das bedeutet, dass es unter einem Raumordnungsplan in einer Planungsregion bzw. einem Kanton nicht einfach „eine“ regional governance capacity gibt, sondern hohe und niedrige regional governance capacities existieren nebeneinander.

Publikationen

Kiessling N, Pütz M (2020): Assessing the regional governance capacities of spatial planning: the case of the canton of Zurich. Regional Studies, Regional Sciences, 7 (1), 183-205. >>> [PDF]