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Moore bedecken weniger als ein Prozent des Kantons Zürich – um das Jahr 1850 war die Fläche noch zehnmal so gross. Grund dafür ist, dass grosse Teile der Moorfläche seither trockengelegt wurden. Sie sind nun landwirtschaftlich genutzt oder überbaut. Es leuchtet ein, dass bei solch markanten Flächenverlusten Pflanzenarten verschwinden, die an Moore angepasst sind. So sind einzelne Moorspezialisten im Kanton bereits ausgestorben, zahlreiche weitere Arten sind viel seltener geworden.
Die Umweltwissenschafterin Anine Jamin hat in ihrer Masterarbeit untersucht, ob noch weitere Pflanzenarten verschwinden werden. Dazu verglich sie die Artenzahlen in Mooren, die seit 1850 nur wenig von ihrer Fläche verloren haben, mit jenen in stark geschrumpften Mooren. Das Ergebnis zeigt, dass in stark geschrumpften Mooren zurzeit mehr Pflanzenarten vorkommen als bei deren geringer Grösse zu erwarten ist. Das ist jedoch nur scheinbar ein gutes Zeichen: Der beobachtete Arten-Überhang wird als Aussterbeschuld bezeichnet. Biologe Ariel Bergamini, Betreuer der Masterarbeit, erklärt: «Wenn der Lebensraum schrumpft und zerstückelt wird, überleben das viele Pflanzen vorerst. Aber die Bestände in den isolierten Restflächen sind klein. Mit der Zeit gehen solche Arten verloren, zum Beispiel weil sie sich nicht mehr erfolgreich fortpflanzen.»

Chance für den Naturschutz
Dies bedeutet für die Zürcher Moore, dass weitere Pflanzen aussterben werden, selbst wenn die Moorfläche nicht weiter abnimmt – bis die Artenzahl mit der Grösse der Fläche im Einklang steht. Wenn diese Pflanzen erhalten werden sollen, fordern Bergamini und Jamin dringend Massnahmen zugunsten der Moore und ihrer Pflanzenwelt: Das bestehende Netzwerk von Feuchtgebieten solle ergänzt und erweitert werden, indem ein Teil der trockengelegten Moorflächen wiedervernässt wird. Um die Qualität der verbliebenen Moore zu steigern, müssen Entwässerungsgräben geschlossen und ausreichende Pufferzonen eingerichtet werden. So paradox das tönen mag, sieht Bergamini in der Aussterbeschuld auch eine Chance für den Naturschutz: «Noch sind die Arten lokal vorhanden und können gerettet werden.»
(Birgit Ottmer, Diagonal 2/19)