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Drohnen schwirren immer häufiger über unsere Köpfe und beschäftigen auch die Medien – sei es, wenn es um den Schutz von Persönlichkeitsrechten geht oder wenn eine Drohne abstürzt und dabei knapp einen Skirennfahrer verfehlt, wie 2015 bei einem Weltcup-Slalom in Madonna di Campiglio (I).
Auch das SLF setzt inzwischen auf mit Kamera bestückte Drohnen – nicht um Personen zu filmen, sondern um Schnee zu untersuchen. Yves Bühler, Fernerkundungsspezialist am SLF: «Die Vorteile von Drohnen liegen auf der Hand: Sie sind günstig, liefern hochaufgelöste Bilder, sind rasch und flexibel einsetzbar und erreichen Gebiete, die nicht oder nur schwer zugänglich sind.»
Lawinen gefahrlos vermessen
Bühler investiert viel Zeit, damit der Flug seiner Drohnen reibungslos verläuft: Mithilfe von Karten und Geländemodellen programmiert er am Computer im Voraus, wohin er seine Drohne später lotsen möchte. Nachdem er im Feld die Planung an die aktuellen Gelände-, Wind- und Temperaturverhältnisse angepasst hat, sucht die Drohne automatisch die definierten Punkte anhand des eingebauten GPS auf. So zum Beispiel am 7. Februar 2015: Bühler beflog zusammen mit Andreas Stoffel Anrissgebiet und Ablagerung der Wildi-Lawine, die drei Tage zuvor eingangs des Dischmatals in Davos niedergegangen war. Mit einer Fotogrammetrie-Software erzeugten die Forscher aus den Kamerabildern anschliessend ein digitales Oberflächenmodell. Rund drei Monate später beflogen sie das inzwischen schneefreie Gelände nochmals. Aus dem Vergleich der beiden Oberflächenmodelle berechnete Bühler, wie hoch die Schneeablagerungen der Wildi-Lawine waren – mit einer Treffsicherheit von rund 10 cm. Bühler: «Mit dieser Methode lassen sich Lawinenniedergänge genau und effizient dokumentieren, ohne dass wir gefährliches Gelände betreten müssen.» Liegen detaillierte Oberflächenmodelle des schneefreien Gebiets schon vor dem Lawinenabgang vor, kann man die Ausmasse der Lawinenablagerungen auch direkt nach dem Ereignis ermitteln.
Technologie der Zukunft
Mittels Drohnenflug berechnete Geländemodelle helfen auch, alpine Naturgefahren wie Steinschläge, Murgänge und Lawinen am Computer besser zu simulieren. Je präziser das Geländemodell – eine grundlegende Voraussetzung für die Simulation –, desto genauer lässt sich die Naturgefahr am Bildschirm mit der Simulations-Software RAMMS nachbilden. Die Simulation liefert Anhaltspunkte, wie stark Siedlungen und Verkehrswege gefährdet sind und wie man sie am besten schützen könnte. Eine weitere interessante Anwendung der Drohnen ist die flächendeckende Bestimmung der Schneehöhe. Wer wissen möchte, wo wie viel Schnee liegt und wie sich die Schneehöhe im Verlauf des Winters verändert, war bisher in erster Linie auf Daten von automatischen Wetterstationen angewiesen. Die Schneehöhe in den Gebieten zwischen den Stationen lässt sich anhand von mathematischen Funktionen hochrechnen – mit entsprechend grosser Ungenauigkeit, variiert die Schneedecke doch zum Teil bereits auf kleinstem Raum beträchtlich. Anhand verschiedener Oberflächenmodelle aus Drohnenflügen im schneefreien und schneebedeckten Zustand gelang es Bühler, die Schneehöhe in unterschiedlichem Gelände sehr genau zu ermitteln, wie händische Kontrollmessungen bestätigten.
Dieses Schneemonitoring aus der Luft eröffnet der Schneeforschung ganz neue Perspektiven: Nicht nur die Lawinenwarnung könnte von den Daten profitieren. Es liesse sich damit auch besser vorhersagen, wo wie viel Wasser im Schnee gebunden ist bzw. bei der Schmelze frei wird – eine wichtige Information für die Wasserkraftnutzung oder die Hochwasserwarnung. Man könnte auch die Präparation von Skipisten optimieren oder bestimmen, wo künstliche Lawinenauslösesysteme am besten aufgestellt werden. Inzwischen erhält Bühler bereits Anfragen aus der Praxis, die sich der neuen Messtechnologie bedienen möchten. So überfliegt er im Auftrag des Kantons Graubünden ein Gebiet im Engadin, um zu ermitteln, wie Windzäune die Schneeverfrachtung beeinflussen. (Christine Huovinen, Diagonal 1/17)