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Lawinenschutzkonzepte für Island

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Nördliches Island im Winter: Die tobenden Stürme laden grosse Mengen Schnee ab. Der Wind bläst exponierte Rücken frei, füllt dafür Mulden und Rinnen mit mehreren Metern oft feuchten Schnees. An den Kanten der Tafelberge bilden sich grosse Wächten. Direkt am Fuss der mächtigen, steilen Hänge liegen kleine Fischerdörfer.

 

In zwei Dörfern, Súðavík und Flateyri, verloren 1995 bei Lawinenniedergängen 34 Menschen ihr Leben. Anders als bei früheren Unglücken nahmen die Isländer dies aber nicht mehr als unabwendbar hin; in Reykjavik gab es sogar Demonstrationen. Darauf liess die isländische Regierung den Schutzbedarf im ganzen Land analysieren. An diesem Bericht wirkte Lawinenschutz-Experte Stefan Margreth vom SLF mit. «Es ist eine Art Masterplan entstanden, der die über mehrere Jahrzehnte nötigen Massnahmen aufzeigt», erklärt Margreth, der seither fast jedes Jahr nach Island reist. Nach dem Masterplan kamen die konkreten Schutzprojekte. Dabei war besonders Margreths Fachwissen zu Stützverbauungen gefragt, die damals ein Novum für Island waren. Ob die in den Alpen bewährten Stützwerke auch in Island funktionieren, untersuchten Margreth und isländische Kollegen mit einer Testverbauung oberhalb von Siglufjörður. Dabei stellten sie fest, dass die Stützwerke auch für Island passen, dass aber beispielsweise dem Korrosionsschutz in der meeresnahen, salzigen Luft viel mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden muss als in der Schweiz.

 

Island lernt von der Schweiz – und umgekehrt

Inzwischen schützen mehr als vier Kilometer Verbauungen, ein grosser Ablenkdamm und mehrere Auffangdämme Siglufjörður. «Durch den frühen Einbezug der Einwohner, und weil Landschaftsarchitekten mitgearbeitet haben, sind diese grossen Anlagen auch gut akzeptiert», stellt Stefan Margreth fest. «Am spannendsten war aber, dass wir Schutzkonzepte ganz aus dem Nichts entwickeln konnten.» Das gibt es in den Alpen nur noch selten. «Die Erfahrung daraus ist sehr wertvoll, um unsere Berechnungen und Konzepte zu überprüfen», sagt Margreth.

Nicht nur in Island, auch in exotischer anmutenden Ländern wie Chile, Russland oder Iran beraten und unterstützen Experten des SLF die lokalen Verantwortlichen beim Lawinenschutz. So verschieden die Herausforderungen dabei sind – immer profitiert auch das SLF von den neuen Erfahrungen. Was aber zeichnet die Arbeit in Island aus? Stefan Margreth: «In Island wird wirklich umgesetzt, was man sagt und plant. Sehr befriedigend!» Sicherlich auch für die Einwohner von Siglufjörður, die jetzt auch im schlimmsten Wintersturm ruhig schlafen können. (Birgit Ottmer, Diagonal 1/18)