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Warum Forscher mit Netzen Steine aus Wildbächen fischen

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An einem Stahlrohr fährt ein etwa 50 Zentimeter breites Fangnetz in den sprudelnden Wildbach Avançon de Nant (VD). Es angelt aber nicht nach Fischen, sondern sammelt Geschiebe, also vom Wasser mittransportiertes Gestein. Am Boden des Bachs befinden sich zudem Messplatten mit Geophonen, die Vibrationen der polternden Steine messen – damit lässt sich die Geschiebemenge abschätzen. Doch welches Geophon-Signal zeigt welche Menge Gestein an?
Das untersucht der WSL-Doktorand Tobias Nicollier. Er will eine Rechenmethode entwickeln, um künftig Geophonsignale automatisch bestimmten Geschiebemengen zuzuordnen. Dazu benötigt er Vergleichsdaten, die er mithilfe der bereits erwähnten Fangnetze oder auch mit fest installierten Geschiebefangkörben erhält. «Diese beiden Methoden sind bisher die einzigen, die bei hohen Abflüssen die Geschiebemenge bestimmen können», sagt Nicollier. Um die benötigten Daten zu erhalten, führte er im Sommer 2019 diverse Fangnetz-Messungen im Avançon de Nant, in der Albula (GR) und im Erlenbach (SZ) durch.

Langfristige Geschiebebeobachtungen in steilen Bächen

 

Am falschen Ort abgelagert kann Geschiebe dazu beitragen, dass Hochwasser Schäden anrichten. Für Wasserkraftwerke ist es zudem wichtig zu wissen, wie rasch sich Stauseen mit Sediment füllen. Doch die letzten umfassenden Geschiebemessungen in Schweizer Flüssen fanden vor achtzig Jahren statt.
Um die Bewegungen der mitgerissenen Steine noch genauer abzubilden, macht Nicollier Versuche in künstlichen Bachbetten. Dort baut er die Bodenstruktur und das Fliessverhalten der Wildbäche möglichst genau nach und filmt durch Plexiglaswände die Gesteinskörner. «Ziel ist es, den natürlichen Geschiebehaushalt besser zu verstehen.» Nicht zuletzt deshalb, weil zu einer gelungenen Flussrevitalisierung auch ein naturnahes Geschiebeverhalten gehört, etwa um Kiesbänke zu bilden. In der Schweiz müssen rund 4000 Kilometer Flussläufe revitalisiert werden.
(Beate Kittl, Diagonal 2/19)