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Einblick in den Stoffwechsel von Bäumen: Was passiert bei Trockenstress?

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«Let’s go!» Über Funk gibt Arthur Gessler den Startschuss zu einem bislang einzigartigen Experiment. Langsam dreht er den Regler einer Flasche auf. Durch Schläuche strömt Gas in eine Plastikhülle, in der eine Föhre steckt. Während drei Stunden ist der von oben bis unten luftdicht eingepackte Baum nun gezwungen, das Gas aufzunehmen und in seinen Stoffwechsel einzubauen – es handelt sich um CO2, das mit dem stabilen 13C-Isotop markiert ist.

Nach den drei Stunden stoppt Gessler die Zufuhr, der Baum wird wieder ausgepackt. Nun fangen die ersten Messungen an. «Wir können verfolgen, wann das markierte CO2 während der Atmung in den Nadeln, im Stamm und in den Wurzeln erscheint», sagt Gessler. Er ist Ökophysiologe an der WSL und leitet den Grossversuch, an dem sich Forschende aus der Schweiz, Deutschland, Finnland und China beteiligen.

Das Experiment findet Ende August 2017 im Pfynwald bei Leuk (VS) statt, wo es heiss und trocken ist und zahlreiche Föhren abgestorben sind. Als Ursache für das Absterben vermuten die Forschenden eine Kombination aus Hitze, Trockenheit, Schädlingen und Baumkrankheiten. Um die Prozesse im Detail zu verstehen, untersuchen sie den Stoffwechsel der Bäume.

 

Dem Zucker auf der Spur

Der Versuch wird zeigen, ob die unter Trockenstress leidenden Bäume noch genügend Zucker in den Nadeln bilden und ob der Transport des Zuckers zum Stamm, zu den Wurzeln und weiter in den Boden noch funktioniert. Denn bei Trockenheit schlies­sen Bäume die mikroskopisch kleinen Spaltöffnungen in ihren Blättern und Nadeln, um den Wasserverlust an die Umgebung zu minimieren. Dies führt aber dazu, dass der Baum weniger CO2 aufnimmt. Somit kann er auch weniger Zucker bilden, der bei der Fotosynthese aus CO2 entsteht. Zum Vergleich führen die Forschenden dasselbe Experiment mit einigen der 500 Föhren durch, die die WSL seit 2003 im Pfynwald bewässert, um die Auswirkungen von Trockenheit, beziehungsweise Bewässerung, auf Föhrenwälder zu untersuchen.

Gleich vor Ort bestimmen die Forschenden mit tragbaren Laser­spektrometern den Zeitpunkt, wann der markierte Kohlenstoff an den verschiedenen Stellen des Baumes ankommt. Untersuchungen des Pflanzenmaterials im Labor werden zeigen, was mit dem gebildeten Zucker passiert. Ein Teil wird normalerweise zur Bildung von Abwehrstoffen wie Harz genutzt. Ist zu wenig Zucker vorhanden, fehlen die Abwehrstoffe, der Baum ist anfälliger für Schädlinge wie den Borkenkäfer. Dies könnte eine Erklärung sein, wieso die Bäume bei Trockenheit absterben. Für die Untersuchungen steht in Birmensdorf seit 2017 ein gut ausgestattetes Isotopenlabor mit vier Massenspektrometern zur Verfügung. Die Geräte konnte die WSL vom Paul Scherrer Institut (PSI) übernehmen.

Netzwerk im Boden

Mit dem Experiment wollen die Forschenden zusätzlich untersuchen, ob der Baum seinen produzierten Zucker weitergibt – zum Beispiel an Sämlinge, die speziell anfällig für Trockenheit sind. Die Wurzeln der Waldbäume sind über ein Geflecht von Pilzhyphen miteinander verbunden, über das Stoffe transportiert werden können. Bodenspezialisten analysieren, wie weit der aus dem markierten CO2 produzierte Zucker über solche Hyphen im Boden verbreitet wird und ob er auch bei den Bodenmikroben ankommt.

Arthur Gessler ist zufrieden nach dem Feldtag, er und sein Team konnten die gewünschten Proben sammeln. Die Auswertung der Daten wird nun einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Forschenden werden danach besser verstehen, warum die Föhren im Pfynwald absterben. Dies ist eine wichtige Grundlage um abschätzen zu können, wie sich die Wälder in einer wärmeren und trockeneren Zukunft entwickeln werden. (Lisa Bose, Diagonal 1/18)