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Warum bilden Waldbäume manchmal massenhaft Früchte? Freiwillige helfen der Forschung

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Im vergangenen Herbst waren die Buchen im Mittelland unübersehbar dicht mit Buchennüsschen behangen. Regelmässige Waldbesucher wissen, dass das nicht jedes Jahr so ist. Thomas Wohlgemuth, Biologe an der WSL: «Bei Buchen tritt das Phänomen etwa alle drei Jahre, bei Fichten alle sechs Jahre auf. Wir nennen es Voll- oder Samenmast. Warum das so ist, welche Rollen das Klima und das Wetter dabei spielen oder was das für die anderen Pflanzen und Tiere im Wald bedeutet, ist erst lückenhaft untersucht.» Es könnte für die Bäume evolutiv vorteilhafter sein, alle paar Jahre massig statt jedes Jahr gleich viele Samen zu produzieren, etwa weil die Bestäubung besser klappt oder weil die Anzahl überlebender Keimlinge höher ist. Will also ein Forscher die Waldverjüngung verstehen, muss er auch Mastphänomene studieren, denn die Frucht- bzw. Samenproduktion ist ihr erster Schritt.

 

Dazu braucht er jedoch Daten. Für einige Baumarten gibt es Aufzeichnungen aus der Forstpraxis. Anton Burkart, Leiter des WSL-Versuchsgartens, hält seit 1991 jedes Jahr fest, wo in der Schweiz welche Baumarten wie viele Früchte tragen. Diese Aufzeichnungen bilden den Kern-Datenbestand für Thomas Wohlgemuth. Aber er braucht noch viel mehr Angaben. «Wir setzen dafür auf Citizen Science. Das heisst, dass uns interessierte Bürgerinnen und Bürger helfen», erklärt Wohlgemuth. Er und seine Kollegen bauten das Webportal www.mastweb.ch auf, auf dem Profis und Laien eingeben können, wie stark Waldbäume mit Samen bzw. Früchten behangen sind. Vorerst stehen sechs Baumarten im Fokus. Ein Ausbau auf etwa zwanzig Arten – darunter auch solche, die für die Alpensüdseite typisch sind, wie die Edelkastanie – ist geplant. Wertvoll sind auch Beobachtungen von sogenannten Fehlmasten, also wenn die Bäume weiträumig praktisch keine Früchte tragen.

Wohlgemuth sieht viel Potenzial im wachsenden Datensatz. Schon bei der Auswertung der bereits verfügbaren Aufzeichnungen von Kollege Burkart stiess er auf interessante Zusammenhänge. So erlegen Jägerinnen und Jäger im Kanton Zürich im Winter nach einer Eichen-Vollmast deutlich mehr Wildschweine. Das reiche Nahrungsangebot scheint die natürliche Überlebensrate der Schweine zu erhöhen, obwohl nur fünf Prozent aller Bäume im Kanton Eichen sind. Solche Studien mögen vorerst nach einer netten Spielerei von Forscherinnen und Forschern klingen. Sollten aber aufgrund von Klimaänderungen Mastjahre häufiger – oder auch seltener – eintreten, könnten die Veränderungen für das Ökosystem markant sein, mit noch unbekannten Folgen. Und die freiwilligen Melde­rinnen und Melder? Sie können im Internet verfolgen, wie aus den vielen Meldungen Karten der Mastintensität der verschiedenen Baumarten entstehen. (Birgit Ottmer, Diagonal 1/17)

www.mastweb.ch