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Der Bevölkerung eine Stimme geben

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Welchen Beitrag kann die Nutzung von Feuerholz zur Energiesicherheit in den ukrainischen Karpaten leisten? Das untersuchen Forschende der WSL – und setzen dabei auf ungewöhnliche Methoden.

In der Ukraine kommt es immer wieder zu Engpässen in der Energieversorgung, insbesondere wenn die Gaslieferungen aus Russland ausbleiben. Deshalb sucht das Land nach Möglichkeiten, seinen Selbstversorgungsgrad zu erhöhen – auch mithilfe erneuerbarer Energien. «Eine sinnvolle Ergänzung zu anderen erneuerbaren Energiequellen könnte die verstärkte Nutzung von Holz sein», sagt WSL-Forscherin Astrid Björnsen, die das Projekt «Identifying Green Energy Options» leitet. An diesem sind unter anderem das Zentrum für Entwicklung und Umwelt der Universität Bern sowie die Nationale Ukrainische Forst­universität in Lwiw (ehemals Lemberg) beteiligt.
Im Projekt wird das Potenzial von Energieholz in den ukrainischen Karpaten untersucht. Riesige Waldflächen bedecken die gebirgige Gegend im Westen des Landes. Ein Fünftel der geernteten Holzmenge wird schon heute als Feuerholz genutzt. Ob sich mehr nutzen lässt, untersuchen die Forschenden anhand von ökologischen, wirtschaftlichen und sozialen Kriterien. «Dabei ist es uns sehr wichtig, die Menschen vor Ort mit einzubeziehen, damit die Forschung nicht an deren Bedürfnissen vorbeizielt», sagt Björnsen.

Energieholzpotenziale in den ukrainischen Karpaten »

 

Deshalb lancierten die Forschenden einen Ideenwettbewerb in der Studienregion. Gesucht wurden unter anderem Vorschläge, wie sich Energieholz effizienter nutzen lässt. Den ersten Preis gewann eine Schule in der 38 000 Einwohner zählenden Stadt Boryslaw. Sie will einen Unterstand bauen, damit das Feuerholz für das Schulhaus nicht mehr im Regen, sondern trocken gelagert werden kann. «Der Vorschlag mag banal scheinen, aber er macht deutlich, mit welch grundlegenden Problemen die Menschen zu kämpfen haben», sagt Björnsen.

Video als Sprachrohr

Nach dem Gewinn des Ideenwettbewerbs wurden in Boryslaw weitere Projektmassnahmen durchgeführt. Dabei nutzen die Forschenden ein ungewöhnliches Mittel: Sie luden sechs Bewohnerinnen und Bewohner ein, unter Anleitung ein sogenanntes «Partizipatives Video» zur Energiesituation in ihrer Stadt zu drehen. «Die Methode dient dazu, die Mitglieder einer Gemeinschaft zusammenzubringen und ihnen eine Stimme zu verleihen», sagt Björnsen. Das Video wurde 2018 bei einem Publikumsanlass in Boryslaw sowie an einer internationalen Konferenz vorgestellt. «Neben dem inhaltlichen Erkenntnisgewinn sind auch wertvolle Kontakte zwischen Forschenden und der Bevölkerung entstanden.»

Das Projekt führte bereits zu positiven Veränderungen. Die Universität in Lwiw will ihren Praxisbezug weiter stärken: Masterstudierende werden Fallstudien in Boryslaw durchführen und Anträge für kommunale Förderprojekte im Bereich erneuerbarer Energien formulieren. Zudem engagiert sich die WSL im Aufbau von Forschungskapazitäten an der ukrainischen Partneruniversität und lädt Forschende als Gäste in die Schweiz ein.

Da das Projekt bis 2020 läuft, liegen zwar noch keine abschliessenden Ergebnisse zum Potenzial von Energieholz in den ukrainischen Karpaten vor. Doch laut Björnsen zeichnet sich ab, dass vermehrt Abfälle aus der Holzverarbeitung verwendet werden könnten. Auch die Effizienz spielt eine Rolle: Viel Holz liesse sich einsparen, wenn es vor dem Verfeuern ausreichend getrocknet würde, wie es nun die Schule in Boryslaw tun wird.
(Claudia Hoffmann, Diagonal 2/19)

 

 

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