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«Waldleistungen dürfen nicht mehr gratis sein»

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Sinkende Holzpreise stellen die Leistungen des Waldes für die Gesamtbevölkerung in Frage. Wie rea­gieren Schweizer Waldbesitzer auf diese Situation? Fragen an Urban Brütsch, Vizedirektor von WaldSchweiz.

Herr Brütsch, über die Hälfte der Forstbetriebe arbeitet heutzutage defizitär. Wie ist es dazu gekommen?

UB: Früher deckten die Holz­erlöse noch die gesamten Kosten der Forstbetriebe und der Waldeigen­tümer ab. Mit den Gewinnen konnte in Infrastruktur oder Maschinen investiert werden, um wieder kostengünstiger zu arbeiten, oder es konnten andere Waldleistungen finanziert werden. Dies ist für viele Forstbetriebe seit längerem nicht mehr der Fall. Somit hat die Holzproduktion aus finanzieller Sicht laufend an Bedeutung verloren.

Was hat das für Folgen?

UB: Falls weiterhin hohe Verluste drohen, werden manche Betriebe die Waldbewirtschaftung einschränken oder sogar einstellen müssen. Ein für den Klimawandel fitter, stabiler Wald, der viele Leistungen wie Schutz vor Naturgefahren, Trinkwasserfilterung, Biodiversitätsschutz oder Erholung erfüllen kann, benötigt aber laufend eine gezielte Pflege. Diese wäre in Frage gestellt.

Wie lässt sich das lösen?

UB: Es bleibt nur die konsequente weitere Reduktion der Kosten oder die Generierung neuer Einnahmen, etwa indem «Nichtholz-Waldleistungen» wie Erholungseinrichtungen oder CO2-Speicherleistung angeboten und vermarktet werden. Private Wald­eigentümer ohne Steuereinnahmen erbringen immer mehr von der Öffentlichkeit gewünschte, respek­tive geforderte Leistungen – bisher meistens gratis. Dies können sie so nicht mehr weiter tun.

Manche Waldeigentümer bieten bereits Baumpatenschaften, Wälder als letzte Ruhestätte oder CO2-Speicher-Zertifikate an. Lässt sich so künftig die Waldpflege finanzieren?

UB: Die positiven Beispiele zeigen, dass so zusätzliche Erlöse erzielt werden können. Dieses Potenzial schöpfen Forstbetriebe und  Waldeigentümer meist noch zu wenig aus. Konkrete Vereinbarungen mit den Nutzniessern, zum Beispiel den Gemeinden, sind notwendig, um
Wert setzen zu können.

Wie kann die WSL-Forschung hier helfen?

UB: Für Nichtholz-Waldleistungen gibt es oft noch keine konkrete kommerzielle Nachfrage. Deshalb wären Berechnungstools für den Wert dieser Leistungen hilfreich, wie es sie für die Trinkwasserspeicherung bereits gibt. Erwünscht wäre auch Unterstützung bei der prak­tischen Umsetzung von Forschungsergebnissen, etwa die Erholungs­leistung des bewirtschafteten Waldes mit konkreten Vergütungsansätzen zu beziffern.
(Beate Kittl, Diagonal 1/20)

 

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