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Die Bodenorganismen im Wald und ihre Funktionen

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Der Waldboden wird durch eine Vielzahl von Bodenorganismen bewohnt, die einen grossen Artenreichtum aufweisen (Abb. 3, Tab. 1). Dies sind Pilze, Bakterien, Insekten und Würmer, um nur einige zu nennen. Sie benutzen die anfallende Streu als Nahrung, die sie zerkleinern, zersetzen, verdauen und sich hierbei gegenseitig unterstützen. Zahlreiche räuberische Lebewesen wie Raubmilben und Hundertfüsser bewohnen ebenfalls den Waldboden. Sie nutzen die oben erwähnten Primärzersetzer als Nahrungsquelle. Dadurch ergibt sich eine Nahrungskette.

 

Bakterien

Bakterien (Bacteria und Archaea) sind einzellige Organismen ohne echten Zellkern (Prokaryoten). Sie können kugelförmig, stäbchen- oder schraubenförmig sein und besiedeln den Boden (siehe Abb. 2) in grosser Artenvielfalt und Individuendichte. Bakterien können sich innerhalb weniger Stunden vermehren und bilden häufig grosse Zellketten und -kolonien. So können in einem Gramm Boden über 100 Millionen Bakterien leben. Vorzugsweise leben Bakterien im dünnen Wasserfilm, der die Bodenpartikel umgibt, an Wurzeloberflächen oder im Wurzelraum, der Rhizosphäre. Sie können sich aktiv durch Geisseln oder passiv mit dem Bodenwasser bewegen und reagieren empfindlich auf Austrocknung. Die meisten Bakterienarten ernähren sich von abgestorbener organischer Substanz und Ausscheidungen der Lebewesen, sie sind heterotroph. Heterotrophe Bakterien bevorzugen leicht abbaubare Kohlenstoff- und Stickstoffverbindungen und zersetzen das Substrat durch die Ausscheidung von Enzymen. Aufgrund ihres grossen Enzym-Spektrums sind sie die wichtigsten Reduzenten beziehungsweise Destruenten. Die Zersetzungsprozesse laufen in der Regel im sauerstoffhaltigen Milieu ab, das heisst unter aeroben Bedingungen. Es gibt aber auch anaerobe Bakterienarten, die organische Substanz unter Sauerstoffarmut zersetzen. In der Regel sind dies Gärungs- und Fäulnisprozesse. Im Hinblick auf die Ernährungsweise lassen sich zwei Gruppen unterscheiden:

  • Autotrophe Bakterien leben ohne organische Fremdsubstanzen. Sie beziehen die Energie aus dem Sonnenlicht, zum Beispiel die chlorophyllhaltigen blaugrünen Bakterien (Cyanobakterien).
  • Heterotrophe Bakterien ernähren sich von organischer Substanz.

Für den Boden relevante Bakterien lassen sich hinsichtlich ihrer Funktion und Energiegewinnungsweise wie folgt einteilen:

  • Kohlenhydratabbauende Bakterien bauen kohlenhydrathaltige Substanzen zu Zucker ab (z. B. Zellulose, Hemizellulose, Stärke).
  • Proteinzersetzende und ammonifizierende Bakterien bauen Proteine zu Aminosäuren, Ammoniak und Ammonium ab.
  • Nitrifikanten oxidieren Ammonium zu Nitrit bzw. Nitrat. Der Prozess wird als Nitrifikation bezeichnet.
  • Denitrifikanten reduzieren Stickstoffoxide im anaeroben Milieu bis hin zu elementarem Stickstoff. Der Prozess wird als Denitrifikation bezeichnet (Nitrat zu Nitrit zu Lachgas zu elementarem Luftstickstoff).
  • Stickstoffbindende Bakterien fixieren elementaren Luftstickstoff und wandeln ihn in organische N-Verbindungen um.
  • Methanbildner nutzen die Bildung des Methans als Energiequelle. Die Fähigkeit zur Methanbildung findet sich ausschliesslich bei den Archebakterien (Archaeen). Die Methanbildner sind strikt anaerob (z. B. in stark verdichteten Böden).
 

Pilze

Pilze (Fungi) sind wie die Tiere und die meisten Bakterien heterotroph. Sie ernähren sich von den organischen Nährstoffen ihrer Umgebung, die sie meist durch Abgabe von Enzymen aufschliessen und dadurch löslich und für sich verfügbar machen. Der Vegetationskörper der meisten Pilze besteht aus mikroskopisch feinen Fäden (Hyphen), die ein weitverzweigtes Pilzgeflecht bilden und sich in oder auf einem festen Substrat, beispielsweise dem Erdboden, Holz oder anderem lebendem oder abgestorbenem organischem Gewebe, ausbreiten (Abb. 4). Viele Pilze bilden Fruchtkörper, die aus dem Boden herausragen (z. B. Steinpilze, Fliegenpilze). Daneben gibt es einzellige Pilze wie die Hefen.

  • Saprotrophe Pilze wachsen auf totem organischem Material. Das Substrat, auf dem die Pilze siedeln, kann vielfältig sein: totes oder vermoderndes Holz, abgefallene Rinde, Nadelstreu, abgefallenes Laub, vermodernde grüne Teile von Pflanzen oder auch Dung. Saprotroph lebende Pilze zersetzen das Substrat bei der Entnahme der Nährstoffe. Durch die Zersetzung des toten Materials wird zum einen verhindert, dass sich das Material anhäuft, und zum anderen stehen durch die Pilze verwertete Stoffe wieder anderen Lebewesen zur Verfügung. Weissfäulepilze sind holzzersetzende Pilze, welche schwerabbaubares Lignin zersetzen können. Am Schluss bleiben weisse Zellulosefasern übrig. Braunfäulepilze hingegen können das Lignin nicht zersetzen, und deshalb bleibt am Schluss das Lignin in der Form von braunen würfeligen Strukturen übrig.
  • Parasitische Pilze befallen andere lebende Organismen, vorwiegend Pflanzen. Sie wachsen auf oder in Wirtspflanzen und entziehen diesen lebensnotwendige Stoffe, wodurch der Wirt geschädigt wird oder abstirbt. Viele der parasitisch lebenden Pilzarten wie etwa der Hallimasch sind in der Lage, auf die saprotrophe Lebensweise umzustellen, wenn ihr Wirt abgestorben ist.
  • Mykorrhizapilze leben in Gemeinschaft mit den Wurzeln von Bäumen. Dies ist aber für beide Beteiligten von Vorteil (Symbiose). Während der Pilz von der Pflanze Kohlenstoffverbindungen erhält, gibt er der Pflanze Wasser und Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor ab. Einige Pilzarten, wie zum Beispiel der Fliegenpilz, können mit verschiedenen Baumarten vergesellschaftet sein, andere, wie etwa der Lärchen-Röhrling, sind nur auf eine Baumart angewiesen.
 

Algen

Algen (Alga) sind eukaryotische Lebewesen, die im Wasser oder auf dem Land leben und Photosynthese betreiben. Die Algen sind keine einheitliche Gruppe, sie werden anhand ihrer Grösse in zwei Gruppen eingeteilt. Als Mikroalgen werden mikroskopisch kleine Arten zusammengefasst, zu denen insbesondere einzellige Formen gehören. Die Makroalgen dagegen sind mit blossem Auge erkennbar. Ihre Länge reicht von wenigen Millimetern bis zu 60 Metern. Die meisten Grossalgen leben im Wasser.

 

Tierische Einzeller

Tierische Einzeller (Protozoa) sind Lebewesen, die das Wasser und den Boden mit einem grossen Artenreichtum besiedeln. Sie sind heterotroph, das heisst, sie benötigen für ihren Stoffwechsel Substanzen von anderen Organismen. Viele Formen leben parasitisch. Zu den Protozoen gehören unter anderem die Wimperntierchen, die Geisseltierchen und die Schalenamöben. Der Begriff «Protozoen» ist veraltet und wird heute in der Systematik nicht mehr verwendet. Aufgrund ihrer Verschiedenartigkeit ist eine einfache systematische Einteilung der Einzeller gar nicht mehr möglich.

 

Tierische Vielzeller

Fadenwürmer (Nematoda) sind ein sehr artenreicher Stamm des Tierreichs. Meist sind es relativ kleine, weisse bis farblose, fädige Würmchen, die in feuchten Substraten leben (Abb. 5). Auch bei den Fadenwürmern gibt es viele parasitisch lebende Gruppen. Ihr Nahrungsspektrum ist unterschiedlich und reicht von Bakterien und Algen über Pilze, Aas und Fäkalien bis hin zu räuberisch erbeuteten Tieren. Am Mund befinden sich oft kleine Fortsätze, die zur Nahrungsaufnahme oder zum Tasten benutzt werden. Dort wird die Nahrung hineingezogen und durch starke Muskeln zerquetscht.

Rädertierchen (Rotifera) sind vielzellige Lebewesen mit einer genetisch festgelegten, gleichbleibenden Anzahl Zellen. Am Kopf befinden sich bewegliche Wimpernkränze, die das sogenannte Räderorgan bilden. Rädertierchen treten in vielen Lebensräumen auf – in Bäumen, in feuchtem Moos oder zwischen Bodenpartikeln. Sie leben entweder dauerhaft an Pflanzen festsitzend, freischwebend im Wasser oder in organischen Substraten.

Bärtierchen (Tardigrada) bilden einen Tierstamm innerhalb der Häutungstiere. Die meist weniger als einen Millimeter grossen, achtbeinigen Tiere erinnern in ihrem Aussehen und ihrer tapsig wirkenden Fortbewegungsweise etwas an Bären, wie auch ihr Name besagt. Sie leben weltweit im Meer, Süsswasser oder an Land in feuchten Lebensräumen, zum Beispiel in Mooskissen. Eine Eigenschaft dieser Tiere ist die Kryptobiose, ein todesähnlicher Zustand, in dem sie extreme Umweltbedingungen lange Zeit überdauern können. Bärtierchen können sich sowohl vom Inhalt der Pflanzenzellen ernähren als auch räuberisch von kleinen Tieren wie Fadenwürmernoder Rädertierchen, die sie anstechen und aussaugen.

Milben (Acari) gehören zu den Spinnentieren im Stamm der Gliederfüsser. Neben den Raubmilben gibt es solche, die sich von Pflanzen oder Pilzen ernähren, Aas fressen oder von abgestorbenem Gewebe leben (Abb. 6). Ausserdem gibt es unter den Milben viele Parasiten.

Springschwänze (Collembola) und Beintastler (Protura) sind zu den Sackkieflern gehörende Gruppen der Sechsfüsser. Sie finden sich vor allem in Humusschichten nicht zu trockener Böden (Abb. 7). Die meisten Arten sind Detritus-Fresser, das heisst, sie ernähren sich von verrottendem Pflanzenmaterial, Exkrementen oder Aas. Neben diesen Allesfressern gibt es bei den Springschwänzen auch Spezialisten, die nur Algen, Pilze und Pollen fressen oder Mikroorganismen abweiden.

Regenwürmer (Lumbricidae) sind im Erdboden lebende, gegliederte Würmer aus der Gruppe der Wenigborster. Sie fressen sich ständig kreuz und quer durch die Bodenschichten ihres Lebens-bereiches (Abb. 8). Die dabei aufgenommene Erde enthält Detritus-Bestandteile, Bakterien, Pilzsporen und zahlreiche Einzeller, die verdaut und als Nahrung genutzt werden. Die Regenwürmer vermengen und verdauen diese Bestandteile und scheiden sie anschliessend als Wurmkot wieder aus. Dieser enthält wertvolle Humusanteile, die Ton-Humus-Komplexe, in angereicherter Form. Durch die Beschaffenheit der Erde, die der Regenwurm erzeugt, werden die für den Boden nützlichen Mikroorganismen gefördert.

Weisswürmer (Enchytraeidae) sind eine artenreiche Familie aus der Gruppe der Wenigborster, zu denen auch die Regenwürmer gehören. Gemeinsam mit Asseln, Springschwänzen und den Regenwürmern sind die Enchyträen die wichtigsten Streuabbauer im Boden (Abb. 9).

Zu den Tausendfüssern (Myriapoda) gehören Zwerg-, Wenig-, Hundert- und Doppelfüsser. Zwergfüsser leben hauptsächlich in der obersten Bodenschicht, unter Dunghaufen sowie unter Steinen. Dabei ernähren sie sich von verrottenden oder lebenden Pflanzenteilen. Wenigfüsser besiedeln bevorzugt die oberen Zentimeter lockerer, humoser Böden und ernähren sich von Pilzfäden. Doppelfüsser leben im Boden oder in zerfallenem Holz und ernähren sich dort von pflanzlichem Abfall (Abb. 10).

Hundertfüsser (Chilopoda) gehören zu den Tausendfüssern. Sie sind Räuber und leben im Allgemeinen im Laub, unter Steinen, im faulen Holz oder im Erdreich versteckt (Abb. 11).

Pseudoskorpione (Pseudoscorpiones) gehören zu den Spinnentieren und sind nur wenige Millimeter gross. Sie kommen vor allem im Boden unter der Laubauflage oder in Moosen und an Pilzgeflechten sowie unter loser Baumrinde vor (Abb. 12). Mit ihren Scheren können sich gewisse Pseudoskorpione an ein Bein oder Haar eines Fluginsektes heften und so grosse Strecken zurücklegen.

Doppelschwänze (Diplura) werden den Sechsfüssern zugeordnet. Sie leben im Boden sowie unter Steinen, Laub oder Rindenstücken. Einige Arten sind auch im Moos zu finden, die anderen sind Höhlentiere. Allgemein sind sie feuchteliebend und lichtscheu. Gewisse Doppelschwänze jagen Springschwänze und leben entsprechend räuberisch, andere Arten ernähren sich von organischem Material im Boden oder von Pilzfäden.

Zweiflügler- (Diptera) und Käferlarven (Coleoptera): Viele Larven von Zweiflüglern und Käfern leben in der Streu und im Boden, bis sie sich verpuppen. Dies kann ein oder mehrere Jahre dauern. Sie ernähren sich von organischen Substanzen jeglicher Art (Abb. 13).

Asseln (Isopoda) gehören zu den Höheren Krebsen. Die meisten Asseln sind Pflanzenfresser und zählen somit biologisch zu den Erstzersetzern (Abb. 14). Die Kiemen zum Atmen befinden sich an den hinteren Beinen. Verschiedene Arten zeigen jedoch unterschiedliche Anpassungsstufen an ein Leben an Land. So gibt es neben der Kiemenatmung bei einigen Arten auch andere Atmungsorgane wie Tracheen oder Lungen. Da die Asseln ihre zarten Kiemenanhänge ständig feucht halten müssen, bevorzugen sie feuchte Habitate. Mit ihren Mundwerkzeugen können sie Falllaub und Totholz anfressen.