Allianz zwischen Energieholznutzung und Waldbiodiversität möglich?

19.05.2016  |  News

Die Schweiz will vermehrt erneuerbare Energien nutzen, auch Energieholz. Zugleich soll die Biodiversität im Wald gefördert und besser geschützt werden. Wie können diese beiden Ziele sinnvoll vereinbart werden? Am „Forum WSL Suisse Romande 2016“ der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in Lausanne diskutierten Fachleute aus Forschung und Praxis.

Wald bedeckt rund einen Drittel der Schweizer Landesfläche und wächst unaufhaltsam. Seit 1995 nehmen die Holzvorräte zu, was den Schluss nahelegt, dass dieser Zuwachs vermehrt auch für die Gewinnung von Strom, Wärme und Treibstoffen genutzt werden könnte. Heute werden jährlich 2.0-2.5 Mio. m3 Waldenergieholz in Form von Schnitzeln und Stückholz geerntet und fast ausschliesslich zur Erzeugung von Wärme eingesetzt. Laut Waldbericht 2015 könnte diese Menge auf jährlich 3.1 Mio. m3 erhöht werden. „Es besteht ein Potenzial für eine zusätzliche, ja sogar nachhaltige Nutzung,“ so Oliver Thees (WSL). Der Mehrnutzung von Energieholz sind in der Schweiz aber ökonomische Grenzen gesetzt. Die zusätzlich nutzbaren Potenziale befinden sich vornehmlich im Gebirge, wo die Holzernte nicht kostendeckend ist. Aber das kann sich ändern. Steigen die Energiepreise, könnte auch die Nachfrage nach Energieholz rasch zunehmen.

Den Wald verheizen?

Was bedeutet eine erhöhte Energieholznutzung für den Wald? Wie sollen gleichzeitig Lebensräume für Tiere und Pflanzen erhalten und gefördert werden? „In der Kulturlandschaft Mitteleuropas muss dem Verlust der biologischen Vielfalt in erster Linie über Nutzsysteme Einhalt geboten werden“, betont Werner Konold von der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau. Ein Beispiel dafür ist der früher für Brennholz genutzte Mittel- und Niederwald. Er könnte im Zuge der Energiewende an Bedeutung gewinnen. Das räumliche und zeitliche Mosaik, welches durch diese Nutzung entsteht, fördert insbesondere licht- und wärmeabhängige Artengruppen.

Unerwünschte Gäste

Licht und Wärme locken aber auch unerwünschte Besucher an. Entstehen nach der Holzernte sonnige Lücken, sind bald auch gebietsfremde Pflanzen, die Neophyten zur Stelle. Einige davon breiten sich so stark aus, dass sie die einheimische Flora verdrängen. „Bei einer intensivierten Holznutzung ist auch mit ungebetenen Gästen zu rechnen,“ so Marco Conedera (WSL).

Alte und Tote besonders wertvoll

„Die verstärkte Energieholznutzung könnte sich negativ auf den Bestand von Alt- und Totholz auswirken“, betonte Thibault Lachat (WSL/HAFL Zollikofen) in seinem Vortrag. Ungefähr 6‘000 Pflanzen-, Tier- und Pilzarten sind nämlich auf Alt- und Totholz angewiesen. Viele dieser Organismen stehen weiterhin auf der Roten Liste, obwohl die Totholzmenge in den letzten Jahrzehnten zugenommen hat. Weniger Altbestände und Habitatbäume, oder kürzere Umtriebszeiten könnten sie noch stärker unter Druck setzen. Um dies zu verhindern, müssen geeignete Alt- und Totholzkonzepte flächig umgesetzt werden.

Das Konzept im Test

Ulrich Mergner konnte da nur zustimmen. In seinem Forstbetrieb Ebrach, einem der grössten Energieholzproduzenten Bayerns, trägt ein solches Konzept auf 17‘000 Hektar bewirtschaftetem Buchenwald Früchte: Einst seltene Käfer oder Pilze wurden trotz Nutzung wieder häufiger. Warum? Einerseits wurden 7.3% der Waldfläche nicht mehr bewirtschaftet und als Naturwaldreservate oder Altholzinseln der natürlichen Entwicklung überlassen. Andererseits verblieben 20-40 m3 Totholz pro Hektar und 10 Habitatbäume und –anwärter pro Hektar dauerhaft im Wald. „Der "Zehnte" für die Natur ist langfristig auch für die Nährstofferhaltung des Waldes und somit für den Waldbesitzer eine gute Investition“, meinte Mergner. Ökonomie und Ökologie so in Einklang zu bringen sei nahezu in jedem Forstbetrieb möglich und biete gleichzeitig lokale Holzproduktion sowie Natur und Wildnis vor Ort.

Untergrund unter Druck

Waldboden ist eine unentbehrliche Nährstoffdrehscheibe für Organismen aller Art. „Die Bewirtschaftung mit schweren Maschinen kann zu anhaltenden Veränderungen der Bodenstruktur und –organismen führen“, mahnt Elena Havlicek vom Bundesamt für Umwelt BAFU. Die Bodenverdichtung fördert zum Beispiel Methan ausstossende Bakterien sowie saprophyte Pilze, reduziert jedoch die für das Baumwachstum wichtigen Mykorrhizapilze. Um diesen Mikrokosmos zu schützen, muss der heute schon eingeschlagene Weg einer bodenschonenden Nutzung konsequent weitergeführt werden, auch im Zuge der Energiewende.

Der Praxis das Wort erteilt

Synergien, Konflikte und mögliche Lösungsansätze im Bereich „Energieholz und Biodiversität“ wurden nach den Vorträgen des Vormittags in sieben Gruppen diskutiert.  So widmete sich eine Arbeitsgruppe den durch die Holznutzung bedingten Störungen auf empfindliche Wildtiere. Eine andere diskutierte die Frage, wie die Ökobilanz der Energieholzbereitstellung optimiert werden kann, von der Ernte über den (möglichst kurzen) Transportweg bis zu einer emissionsarmen Verbrennung. Auch die Energieholzhaufen im Wald bewegten die Teilnehmer. Für Käfer, die sich darin niederlassen, können sie zu wahren Todesfallen werden. Das frische Holz lockt im Frühjahr und Sommer unzählige Käfer zur Eiablage an. Bevor sie überhaupt ihren oft mehrjährigen Entwicklungszyklus beenden und das Holz verlassen konnten, wird das Holz mit den Larven jedoch verbrannt. Abhilfe kann geschaffen werden, wenn die oberste - oft am dichtesten bewohnte - Holzschicht im Wald verbleibt.

Die Präsentationen der Gruppenarbeiten im Plenum zeigten, dass es zur Energieholznutzung noch viele offene Fragen gibt. Nicht zuletzt, wie Synergien zwischen Schutzwaldpflege und Biodiversität vermehrt genutzt werden könnten.Eine interaktive Teilnehmerumfrage zum Abschluss der Tagung verdeutlichte neben dem Stimmungsbild zur Vereinbarkeit von Biodiversitätsförderung und Energieholznutzung auch den Wunsch, in zwei Jahren ein weiteres Forum WSL Suisse Romande durchzuführen.

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