Auf der Suche nach der Vergangenheit in Baumringen

Im Frühjahr 2025 verbrachte die WSL-Doktorandin Lisa Jourdain vier Wochen in Australasien auf der Suche nach jahrhundertealten Holzproben, die wertvolle Hinweise auf das Klima der Vergangenheit liefern. In diesem Blogbeitrag berichtet sie von ihrer Expedition, die sie in abgelegene Waldgebiete und in ein Archiv mit uraltem Holz führte.

Auf der anderen Seite

„Wir sehen uns auf der anderen Seite.“

Ein einfacher Satz – der jedoch noch nie so passend geklungen hatte. Die Reise von der Schweiz nach Tasmanien und Neuseeland bedeutete wirklich, auf die andere Seite der Erde zu wechseln: Winter gegen Sommer, Nacht gegen Tag und Rechtsverkehr gegen Linksverkehr. Eine Welt, die fremd und doch seltsam vertraut wirkte.

Was führt uns also nach Australasien?

Wir sind hier, um das bemerkenswerte Potenzial dieser Region für die Klimarekonstruktion mithilfe fortschrittlicher Methoden der Baumringforschung, auch bekannt als Dendrochronologie, zu erforschen. Durch die Untersuchung der mikroskopischen Struktur von Baumringen können wir Umweltdaten aus mehreren hundert oder sogar tausend Jahren zurückverfolgen.

Diese Arbeit ist Teil des RECONSPHERE-Projekts, einer internationalen Initiative zur Erweiterung der Klimadaten beider Hemisphären – einschliesslich Australasiens. Aus diesem Grund reiste unser kleines europäisches Team, bestehend aus Jesper Björklund, Kristina Seftigen (beide Universität Gothenburg) und mir, um die halbe Welt, um uns Kathy Allen in Tasmanien und Jonathan Palmer in Neuseeland anzuschliessen. Unsere Mission: Holzproben von Bäumen zu sammeln, die zur Rekonstruktion des vergangenen Klimas beitragen können.

Ein einfacher Plan, schwierig in der Umsetzung

Holzproben von lebenden Bäumen zu entnehmen, klingt zunächst einfach: zum Standort gehen, ein paar Kernproben entnehmen, Notizen machen, GPS-Koordinaten aufzeichnen. In Wirklichkeit glich es jedoch eher einem Hindernislauf – über Felder mit Felsbrocken und durch dichte Vegetation. Wir mussten uns durch dichtes Unterholz kämpfen und stacheligen Büschen ausweichen, als würden wir uns durch ein Laser-Labyrinth bewegen. Der Weg von einem Baum zum nächsten dauerte oft viel länger als erwartet.

Das Bohren selbst war mit einigen Herausforderungen verbunden. Manchmal blieb der Bohrer tief im Baumstamm stecken und musste mit einem Seil und viel Geduld herausgezogen werden. In anderen Fällen musste man klettern oder sich in seltsame Positionen verdrehen, um die richtige Stelle zu finden.

Egal, wie gut man plant, einen Wald versteht man erst wirklich, wenn man sich darin befindet. Das macht die Feldarbeit so wertvoll – sie verleiht den von uns gesammelten Daten Tiefe und Kontext.

Der Schlüssel zu erfolgreicher Feldarbeit

Feldarbeit kann körperlich anstrengend sein, aber Teamarbeit hat den Unterschied gemacht. Es war wichtig, organisiert zu bleiben, klare Rollen zu verteilen und sich gegenseitig zu unterstützen. Zum Glück hatten wir einige unerwartete Motivationsquellen: Neuseelands neugierige Vögel überwachten unsere Arbeit, und Kathys hausgemachte Kekse gaben uns Energie während der langen Tage im tasmanischen Wald.

Ich war überrascht vom einzigartigen Geruch jeder Baumart, überwältigt von der atemberaubenden Landschaft und erstaunt über das Alter der Bäume. Oft haben wir über die Anzahl der Jahresringe in einem Bohrkern gerätselt: Könnten es 500 sein? Vielleicht sogar 800? Jetzt warten wir gespannt auf die Laborergebnisse, um das herauszufinden.

Ein Sprung in die Vergangenheit

Ein 500 Jahre alter lebender Baum ist schon beeindruckend – aber das Projekt RECONSPHERE will noch weiter in die Vergangenheit zurückgehen und Baumringchronologien erstellen, die mindestens 1.000 Jahre umfassen und eine hohe Replikationsrate zwischen den Proben erreichen.

Um diese Bemühungen zu unterstützen, besuchten wir Andrew Lorrey im Archiv des National Institute of Water and Atmospheric Research (NIWA) in Auckland. Dieses Archiv enthält eine Fundgrube an altem Holz, darunter subfossile Silberkiefern, die Jonathan Palmer in den Sumpfwäldern Neuseelands gesammelt hat. Diese Sümpfe fungieren als natürliche Konservierungskammern. Aufgrund der wassergesättigten, sauerstoffarmen Bedingungen kann Holz dort über Jahrhunderte oder sogar Jahrtausende hinweg erhalten bleiben.

Mit Andrews Hilfe wählten wir Proben aus und schnitten sie zu, um unsere Chronologien zu erweitern und zu untermauern. Dann machten wir uns mit schwerem Gepäck, aber voller Vorfreude auf die Geschichten, die diese Proben erzählen würden, auf den Heimweg.

 

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"Teamwork makes the fieldwork!" (Foto: Stefan Klesse)
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Ein Fächerschwanz-Vogel, der uns 40 Minuten lang folgte (Foto: Stefan Klesse)
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Kathy sucht vom Boot aus nach den Zielbäumen (Foto: Lisa Jourdain)
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Kathy und Jesper nehmen einen Bohrkern aus einem abgestorbenen Stamm (Foto: Lisa Jourdain)
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Lisa beim Bohren mit dem Akkubohrer (Foto: Stefan Klesse)
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Jonathan, Lisa und Jesper im NIWA-Archiv (Foto: Stefan Klesse)
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Beschriftung vor dem Zuschneiden (Foto: Stefan Klesse)
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Ausgewählte Proben, bereit zur Analyse (Foto: Stefan Klesse)
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Eine polierte Holzoberfläche mit sichtbaren Jahresringen (Foto: Stefan Klesse)

Besonderer Dank gilt Palva Fenwick für die grossartige Unterstützung bei der Feldforschung in Neuseeland und Stefan, der hier im offiziellen Urlaub unser inoffizieller Fotograf war.

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