Laubbäume reagierten in den letzten 15 Jahren weniger auf die Klimaerwärmung als in der Zeit davor

Eine neue Studie unter Beteiligung von SLF / WSL zeigt, dass Laubbäume in den letzten 15 Jahren weniger auf die Klimaerwärmung reagierten. Die Ergebnisse erscheinen heute in der Fachzeitschrift "Nature".

Wann sich die ersten Blätter von Laubbäumen nach dem Winter entfalten, hängt mit der Durchschnittstemperatur im Frühling zusammen – diese Tatsache ist in der Wissenschaft schon lange bekannt. «In der Regel hat eine ein Grad höhere Durchschnittstemperatur zwischen Februar und April, je nach Baumart, ein um 2 bis 6 Tage verfrühtes Blattaustreiben zur Folge», sagt Yann Vitasse, Wissenschafter in der Forschungsgruppe Gebirgsökosysteme am SLF und am Geografischen Institut an der Universität Neuenburg.

Ein internationales Forschungsteam, darunter Yann Vitasse, wollte wissen, wie sich diese Beziehung zwischen Temperatur und Blattaustreiben in den letzten dreissig Jahren entwickelte, während sich das Klima stetig erwärmte. Dazu untersuchten sie Daten von Buchen, Eschen, Birken, Rosskastanien, Schwarzerlen, Winterlinden und Stieleichen von über 1200 Standorten in Europa. Ihre Analysen zeigten, dass die Blätter zwischen 1980 und 1994 im Schnitt pro Grad steigender Durchschnittstemperatur 4 Tage früher austrieben. Zwischen 1999 und 2013 hingegen nur noch 2 bis 3 Tage, was einer Abnahme von über 40% entspricht.

Rückwirkungen auf den Kohlenstoffhaushalt

Ein Teil der Erklärung für diese Resultate hängt gemäss dem Forscherteam mit derjenigen Phase im Jahresverlauf zusammen, in der sich die Baumknospen in einem Ruhezustand befinden. Diese sogenannte Winterruhe wird im Herbst durch eine Kälteperiode ausgelöst. Ist diese nicht kalt genug oder steigen die Temperaturen während des Winters stark an, ruhen die Knospen nur teilweise. Dies hat zur Folge, dass der Baum in der Summe mehr Wärme benötigt und entsprechend länger warten muss, bis er seine Blätter entfalten kann.

Ein anderer Faktor, der dem verfrühten Austreiben der Blätter entgegenwirken kann, ist die sogenannte Fotoperiode. Nicht nur die Temperatur steuert nämlich, wann sich die Blätter von Bäumen entfalten, sondern auch, wie lange es hell ist am Tag. Wenn also die steigenden Temperaturen die Bäume einladen, ihre Blätter immer früher zu entfalten, könnte ein zu kurzer Tag sie entsprechend daran hindern. Dieser Mechanismus schützt die Pflanzen im Frühling auch vor Spätfrösten.

Der Zeitpunkt, wann die Blätter im Frühling austreiben, prägt das Ökosystem Wald in verschiedener Weise. Er beeinflusst zum Beispiel die Konkurrenzverhältnisse unter den Bäumen und somit, wie sich ein Wald langfristig zusammensetzt. Ausserdem bewirkt ein früherer Blattaustrieb im Frühling, dass der Wald mehr Photosynthese betreiben und somit mehr Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufnehmen kann. Yann Vitasse: «Die Resultate unserer Studie deuten jedoch darauf hin, dass sich die erhöhte Kohlenstoffaufnahme in den Wäldern Europas in Zukunft verlangsamen könnte.» Inzwischen untersucht der Wissenschafter anhand von Daten automatischer Wetterstationen des SLF, wie alpine Pflanzen seit rund 20 Jahren auf höhere Temperaturen reagieren.

Weitere Informationen

Kontakt

  • Yann Vitasse, Wissenschafter, WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF und Universität Neuenburg, Tel. 032 718 16 37, yann.vitasse(at)unine.ch