27.05.2024 | Gottardo Pestalozzi | WSL News
Ein neues Berechnungstool der Eidg. Forschungsanstalt WSL zeigt, wo Pflanzenarten in der Schweiz heute und in Zukunft vorkommen. Es benutzt unter anderem Millionen von gemeldeten Beobachtungen aus der Bevölkerung. Die Kombination dieser riesigen Datenmenge mit lernfähigen Algorithmen führt zu einer noch nie dagewesenen Genauigkeit von Verbreitungskarten.
Aus einer enormen Datenmenge die entscheidenden Informationen für Forschung und Praxis herauszufiltern, ist eine der grossen Herausforderungen im Zeitalter von Big Data. WSL-Forschende haben jetzt ein Tool entwickelt, das aus gemeldeten Pflanzenbeobachtungen die aktuelle und zukünftige Verbreitung von Pflanzenarten in der Schweiz mit hoher Genauigkeit abschätzen kann.
Die Verbreitung von Pflanzenarten kennen und voraussehen ¶
Den Zustand der Biodiversität messen Forschende mit Beobachtungen im Feld und mit Hochrechnungen (Modellierungen) am Computer. Durch das Erfassen des bevorzugten Lebensraums einer Art, also ihrer ökologischen Nische, sowie den örtlichen Umweltgegebenheiten, können sie mit mithilfe von Algorithmen Verbreitungskarten erstellen.
Dabei kommt der Forschung zugute, dass «Citizen Science» oder Mitmachwissenschaft im Trend liegt. Die Möglichkeiten, Pflanzen mit Apps zu beobachten, zu identifizieren und die Daten zu teilen, haben in den letzten Jahren stark zugenommen. Philipp Brun, Hauptautor der Studie, die in Nature Communications erschienen ist, sagt: «Durch die Beobachtungen aus der Bevölkerung erhalten wir Forschende ein Vielfaches an Informationen von dem, was durch eigene Feldarbeit möglich wäre». Die vielen Beobachtungen geben nicht nur Einblick in die bevorzugten Standorte der Arten, sondern zeigen auch, welche Pflanzen zu welchem Zeitpunkt wachsen oder blühen.
Neues Tool eröffnet Perspektiven ¶
Auf der Basis von 6,7 Millionen Pflanzenbeobachtungen und durch den Einsatz von Künstlicher Intelligenz hat die WSL ein neuartiges Biodiversitätsmodell entwickelt, das die Verbreitung von 2477 Pflanzenarten in der Schweiz berechnet. Es zeigt auf 25 m genau und Tag für Tag, welche Pflanzen wo beobachtet werden können und wie sich dies über die Saison entwickelt. Für gewisse Arten kann man damit zum Beispiel auch abschätzen, wann sie voraussichtlich blühen werden.
Die nun publizierte Studie zeigt, dass dieses Deep-Learning-Biodiversitätsmodell im Vergleich zu den bisher gängigen Ansätzen die Verbreitung der Arten und insbesondere die Zusammensetzung von Artgemeinschaften genauer vorhersagen kann. So kann das WSL-Tool zum Beispiel aufzeigen, welche Baumart in welchem Wald am ehesten zu erwarten ist.
Auch durch den Klimawandel erwartete Veränderungen finden Eingang in die Berechnungen. So lässt sich mit dem Tool nicht nur prognostizieren, ob eine Art an einem Ort verschwinden, erhalten bleiben, oder neu vorkommen könnte, sondern auch, wie sich ihr Vorkommen innerhalb der Saison verändern könnte.
Die Menge der Beobachtungen ist ausschlaggebend ¶
Am genauesten ist das Modell dort, wo sehr viele Beobachtungen verfügbar sind. Philipp Brun ist vom Potenzial des noch neuen und ausbaufähigen Tools überzeugt: «Es ist gut möglich, dass dieses saisonale Biodiversitätsmodell mit dem Deep-Learning-Ansatz bald zum Standardinstrumentarium der ökologischen Forschung gehören wird.»
Die Biodiversitätskrise ist eine der aktuell grossen Herausforderungen der Gesellschaft. Pflanzen sind massgeblich für die Struktur der meisten Ökosysteme verantwortlich und erfüllen entscheidende Ökosystem-Funktionen. Es ist darum von grosser Bedeutung, die Verbreitungsmuster von Pflanzenarten und deren mögliche Reaktion auf Umweltveränderungen detailliert zu verstehen. Nur so können wir effektive und nachhaltige Massnahmen zum Schutz der Biodiversität treffen.
Beispiel FlorID ¶
Anwenderinnen und Anwender der populären FlorApp von InfoFlora können ihre Beobachtungen für die Wissenschaft teilen. Das Modul FlorID wurde in enger Zusammenarbeit mit InfoFlora, dem Nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora, entwickelt und kann in einer benutzerfreundlicheren Version auch über eine Website (https://florid.ch/) oder als Modul in der FlorApp benutzt werden.
Die Prognosen des hier beschriebenen Modells werden auch von FlorID genutzt. Durch die Abschätzungen aus dem hier beschriebenen Biodiversitätsmodell wird die Identifikationen von Pflanzen noch genauer als mit Verfahren, die auf reiner Bilderkennung basieren. Dies dient nicht nur der Unterstützung von Citizen Scientists im Feld, sondern auch der Qualitätskontrolle der Datenbank von InfoFlora.
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