Rio dokumentiert seine Geschichte mit WSL-Software

19.10.2016  |  News

Die WSL in Cadenazzo hat eine Anwendungssoftware für Photogrammetrie entwickelt. Damit lässt sich die Entwicklung einer Landschaft anhand von historischen Fotos rekonstruieren. Das System weckte das Interesse eines brasilianischen Instituts, das die Entwickler des Programms nach Rio einlud.

Sérgio Burgi bewegt sich durch die Zeitgeschichte. Als Direktor der fotografischen Abteilung des Instituts Moreira Salles (IMS) hat er die Aufgabe, Tausende von Fotos, die seit 1860 von Rio de Janeiro gemacht wurden, zu verwalten. Berufsfotografen aus aller Welt – darunter auch der Schweizer Georges Leuzinger (1813-1892) – haben auf Glasplatten die atemberaubenden Panoramen der Stadt am Zuckerhut festgehalten. Diese Aufnahmen zeigen, wie sehr der Mensch durch die Errichtung von Gebäuden Stadt und Landschaft verändert hat. Ganze Hügel wurden dabei eingeebnet und Buchten aufgefüllt, um dem Ozean Land abzuringen.

Historische Bilder - wie inwertsetzen?

Was Sérgio Burgi bei der Auswertung seines fotografischen Bestandes am meisten Kopfzerbrechen bereitet, ist die Möglichkeit, den Aufnahmeort der Fotografien präzise zu lokalisieren und anhand der sichtbaren Elemente die darauf abgebildeten Geländeparzellen zu identifizieren. Auf der Suche nach einer Lösung für diese Probleme entdeckt er beim Surfen im Internet das WSL Monoplotting-Tool. DasProgramm hat der Mathematiker Claudio Bozzini in Zusammenarbeit mit Patrik Krebs und Marco Conedera entwickelt, die alle als Forscher am Standort Cadenazzo der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL tätig sind. Das WSL-Programm verwendet das Prinzip der Photogrammetrie, eine seit den Siebzigerjahren wissenschaftlich hinreichend belegte Methode, für die es jedoch bis heute keine anwendbare Interface-Implementierung gab. Dank der WSL-Software ist es jetzt jedoch möglich, den Standort von Objekten aus der Vergangenheit, wie zum Beispiel nicht mehr existierende Gebäude, präzise zu bestimmen. Dazu braucht es nicht mehr als ein gutes digitales Geländemodell und die Möglichkeit, auf dem Foto mindestens fünf Punkte zu identifizieren, deren exakte Position auch in der realen Welt bekannt ist. Sérgio Burgi ist definitiv von dem Produkt begeistert, als er entdeckt, dass das System nicht nur all seinen Leistungsanforderungen entspricht, sondern auch auf einem normalen PC funktioniert und die Anwendung leicht erlernbar ist. Seine langjährige Erfahrung bei der Verwaltung und Erforschung von Fotoarchiven sagt ihm: Das WSL Monoplotting-Tool (oder das «ferramenta de monoplotagem do WSL», wie es auf Portugiesisch heisst) ist das Produkt, nach dem er schon lange gesucht hat.

Die Software der WSL - im House of Switzerland vorgestellt

Auf einer Reise nach Europa Ende März 2016 besucht Sérgio Burgi die WSL-Forscher. Gemeinsam arbeiten sie eine Strategie aus, um das Monoplotting-Tool beim IMS und seinen Partnern einzuführen, insbesondere der Gruppe von Professor Farès el Dahdah an der Rice University (Houston), die an dem Projekt imagineRio (imaginerio.org) arbeitet. Nach seiner Rückkehr nach Brasilien gelingt es Sérgio Burgi auch, das Schweizer Konsulat für dieses Vorhaben zu begeistern. Es folgt eine Einladung an Claudio Bozzini und Marco Conedera, Anfang September 2016 eine Woche in Rio zu verbringen, um das Projekt vorzustellen. Hierfür stellt man ihnen auch die Infrastruktur des House of Switzerland zur Verfügung, das während der Olympischen und Paralympischen Spiele in der Stadt genutzt wurde. Neben offiziellen und öffentlichen Veranstaltungen boten die beiden Forscher einen Einführungskurs über die Monoplotting-Anwendung an und nahmen an einem Seminar über Fotografie und Stadtdynamik am Sitz des IMS teil, gefolgt von einer Präsentation beim Militärgeografischen Dienst. So entstand ein wertvolles Netzwerk aus Experten des IMS, der Katholischen Universität von Rio und der Rice University Houston (USA), das in Zukunft zu einer Zusammenarbeit und Projekten auf dem Gebiet der Georeferenzierung historischer Bilder führen könnte.
Sérgio Burgi bleibt die Aufgabe, die geeigneten Fotos auszusuchen und eine historische Dokumentation zu erstellen, die das Interesse der Bevölkerung zu wecken vermag, wie dies bereits mit dem WSL-Film «Bellinzona und seine Schlösser: 100 Jahre Veränderung» im Tessin gelungen war.

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