Vertrieb schlechtes Wetter die Mongolen 1242 n. Chr. aus Ungarn?

26.05.2016  |  News

Das mongolische Reich war im 13. Jahrhundert das grösste zusammenhängende Landimperium aller Zeiten. Warum sich die Mongolen aber im Jahr 1242 n. Chr. plötzlich aus Ungarn zurückzogen, sorgt noch immer für viele Spekulationen. Forscher aus der Schweiz und den USA stellen zu diesem Rätsel eine neue «Umwelttheorie» vor. Ihre heute in Nature Scientific Reports veröffentlichte Studie offenbart, wie schon minimale Umweltveränderungen bedeutende historische Ereignisse mitbestimmen können.

Das Bewusstsein dafür, dass das Klima die Geschichte der Menschheit teilweise  mitgestaltet, wächst immer mehr. Die Invasion der Mongolen in Osteuropa und insbesondere der plötzliche Rückzug der mongolischen Armee aus Ungarn im Jahr 1242 n. Chr. eignet sich ideal als Fallstudie, um die Rolle von Umweltbedingungen bei geschichtlichen Ereignissen besser beurteilen zu können.

Nicola Di Cosmo, Experte für ostasiatische Geschichte am Institute for Advanced Study in Princeton, USA, und Ulf Büntgen, Jahrringspezialist an der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL in Birmensdorf, sammelten und untersuchten schriftliche Quellen und Jahrringchronologien für den Zeitraum von 1230 bis 1250 n. Chr. Gemeinsam deuten diese Daten darauf hin, dass auf warme und trockene Sommer von 1238 bis 1241 kalte und nasse Witterungsbedingungen ab 1242 folgten.

Die Armee steckte im Schlamm

Die Autoren vermuten, dass starker Regen die gesamte ungarische Ebene in Sumpf verwandelte und das Weideland rar wurde, was die Mobilität und militärische Effizienz der mongolischen Kavallerie beeinträchtigte. Plünderung und Entvölkerung trugen wahrscheinlich zu weit verbreiteten Hungersnöten bei. Diese Umstände beeinflussten zusammen wohl den Entschluss der Mongolen, Ungarn zu verlassen und nach Russland zurückzukehren.

«Dies ist wohl eine der ersten Fallstudien, in der Umweltfaktoren bei der Untersuchung vormoderner Gesellschaften eine entscheidende Rolle zukommt», erklärt Di Cosmo. Historiker haben möglicherweise nicht nur die Herausforderungen unterschätzt, mit denen die Mongolen bei ihrer Expansion über verschiedene ökologische Zonen hinweg konfrontiert wurden, sondern auch die Auswirkungen von Klimaveränderungen auf die Effizienz der mongolischen Armee. Diese Auswirkungen liessen sich nur präzise beurteilen, wenn man Klimadaten aus natürlichen Archiven sammelt und analysiert, sind sich die Autoren einig.

Lektionen aus der Vergangenheit

Der interdisziplinäre Ansatz, paläoklimatische Rekonstruktionen mit historischen Quellen zu verbinden, ist nach Ansicht der Autoren den früheren Studien überlegen, die bisher den Mongolen gewidmet wurden. Jahrringe stellen ein absolut datiertes und jährlich aufgelöstes Klimaarchiv dar, das sich räumlich eindeutig lokalisieren lässt. Büntgen kommt deshalb zum Schluss, «dass sich der Blick auf Umweltfaktoren und geschichtliche Ereignisse als überaus aufschlussreich erweisen kann, wenn man über die Verflechtung von Klima und menschlichem Verhalten nachdenkt».

Die «Umwelttheorie» zur Erklärung des plötzlichen Rückzugs der Mongolen aus Ungarn im Jahr 1242 stellt einen neuen Lösungsansatz für eine strittige historische Frage dar. Damit zeigen die Autoren auf, dass sogar geringfügige klimatische Schwankungen und kurzfristige Umweltveränderungen eine entscheidende Rolle spielen können, indem sie zu gesellschaftlichem Handeln zwingen und strategische Entscheidungen mit beeinflussen.

Copyright

WSL und SLF stellen Bildmaterial zur Bebilderung von Presseartikeln im Zusammenhang mit dieser Medienmitteilung kostenfrei zur Verfügung. Eine Übernahme der Bilder in Bilddatenbanken und ein Verkauf der Bilder durch Dritte sind nicht gestattet.

Kontakt