Viel Kohlenstoff fliesst den Bach hinab

Ein Wildbach transportiert mit dem Treibholz wesentlich grössere Mengen an Kohlenstoff als bislang angenommen. Dies berichtet Jens Turowski von der Eidg. Forschungsanstalt WSL zusammen mit Kollegen im Fachjournal "Geology". Ihnen zufolge müssten grobe Pflanzenteile bei Analysen des Kohlenstoffhaushalts stärker berücksichtigt werden.

Wenn Flüsse Treibholz bergab tragen, verteilen sie nicht nur Nährstoffe, sie können unter Umständen auch das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) langfristig aus der Atmosphäre entfernen. Pflanzen "atmen" es ein und wandeln es in organische Substanz um. Lagert diese sich in sauerstoffarmer Umgebung im Sediment von Flüssen und Ozeanen ein, ist das CO2 für sehr lange Zeit aus dem globalen Kreislauf entfernt und kann nicht zur Klimaerwärmung beitragen.

Wildbäche können enorme Mengen an Pflanzensubstanz mittragen. Schon lange messen deshalb Wissenschaftler den Kohlenstoff-Gehalt in Wasserproben aus Bächen. Wenig ist aber bisher über die Menge an grösseren Stücken wie Stämmen, Ästen oder Blättern bekannt, da diese sehr aufwändig zu messen sind.

80 Prozent des Kohlenstoffs

Das Team um Turowski von der Gruppe Wildbäche an der WSL hat dies nun beim Erlenbach im Alptal (SZ) nachgeholt. Auf die vergangenen drei Jahrzehnte hochgerechnet machen Pflanzenteile, die über einen Millimeter gross sind, demnach etwa ein Drittel des gesamten Kohlenstofftransports des Baches aus. 80 Prozent sind es sogar, wenn man vier grosse Hochwasser im Untersuchungszeitraum mit einbezieht. "Dieses grobe organische Material darf man nicht vernachlässigen", betont Turowski, der mittlerweile am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ in Potsdam tätig ist.

Damit haben die Forscher erstmals nachgewiesen, dass Treibholz am Anfang der Transportkette die Kohlenstofffracht dominiert. Ausserdem konnten sie zeigen, dass in einer Sedimentablagerung in Italien, die sich vor 14 Millionen Jahren etwa 300 Kilometer vor der Küste im Meer befand, grobe Pflanzenteile immerhin noch rund 10 Prozent des gesamten Kohlenstoffs ausmachen. Was auf dem Weg vom Wildbach zum Ozean passiert, ist weitgehend unbekannt.

Der Erlenbach ist einer der am besten überwachten Bäche der Welt, was den Transport von Geschiebe, also von Kies und Geröll angeht. Seit 1986 messen WSL-Forscher dort ununterbrochen die Fracht des Baches mit akustischen Sensoren und in jüngerer Zeit auch mit einer automatisierten Geschiebesammelanlage, die körbeweise Mitgeschwemmtes aus dem Bach holt.

So war es für Turowski einfach, neben dem Geröll auch Holz und Laub aus den Körben klauben. Um das mitgeschwemmte Treibgut bei geringen Wassermengen zu messen, stellten sie ein auf einen Metallrahmen gespanntes Fischernetz in den Bach. Die ganz grossen Brocken hatten die Forscher nach den einzelnen Hochwassern vermessen.

Zehnfache Menge Kohlenstoff

Bei allen mitgeführten Stücken prüften sie, ob diese Hölzer auf dem Wasser schwammen oder derart vollgesogen waren, dass sie auf den Grund sanken. Dieses am Bachbett entlangschleifende Holz würde von den härteren Steinen zerrieben, erklärt Turowski. "Das könnte eine wesentliche Quelle für feines organisches Material sein, das im Fluss selbst entsteht." Über den Abbau von organischem Material während des Wassertransports sei derzeit kaum etwas bekannt.

Dank der langen Messreihe am Erlenbach konnten Turowski und seine Kollegen von den Universitäten Durham und Cambridge (beide GB) die Treibholzmengen für die letzten 30 Jahre hochrechnen. "Die von uns erhobene Kohlenstoffmenge ist etwa 2,5-mal grösser als Fachleute bisher annahmen", sagt Turowski. "Wenn man extreme Hochwasser oder Stürme mit einbezieht, ist sie sogar zehnmal grösser." Und Hochwasser könnten mit dem Klimawandel häufiger werden. Turowski glaubt nicht, dass die Situation bei anderen Wildbächen wesentlich anders ist.

Sein Fazit: "Mit unseren bisherigen Schätzungen verpassen wir den Grossteil der abfliessenden Kohlenstoffmenge." Die von Bächen und Flüssen mitgerissenen Pflanzenteile müssten seiner Meinung nach unbedingt in regionale und globale Kohlenstoffanalysen einfliessen.

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