Waldbäume litten auch nach 2018 unter der Hitzewelle

13.01.2022 | Roman Zweifel/Beate Kittl  | News WSL 

Das Hitzejahr 2018 hat ein internationales Forscherteam mit Schweizer Beteiligung dazu veranlasst, erstmals Daten zu Stammwachstum und Trockenstress von Waldbäumen aus ganz Europa zusammenzutragen. Die nun im Fachjournal Nature Communications veröffentlichten Ergebnisse zeigen, dass die Bäume zwar rekordhohe Wasserdefizite erlitten, aber erstaunlich gut wuchsen. Der Rückschlag folgte in den Jahren darauf.

Im Hitzesommer 2018 lag die Durchschnittstemperatur in Europa 1,3 °C höher als üblich. Die Trockenheit setzte der Vegetation vielerorts von Auge sichtbar zu. Wie können Waldbäume mit solchen extrem heissen und trockenen Bedingungen zurechtkommen? Ein internationales Forscherteam mit Beteiligung der Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL ging dieser Frage mit Hilfe von Messungen der Stammradiusänderungen von Bäumen nach.

Der Rhythmus der Baumstämme

Die Dicke von Baumstämmen variiert mit den Umgebungsbedingungen. Tagsüber, wenn die Bäume Wasserdampf über die Blätter abgeben, können die Wurzeln nicht schnell genug Wasser nachliefern. Es entsteht ein Unterdruck, Wasserspeicher entlang des Stammes leeren sich und alle elastischen Gewebe ziehen sich zusammen. Der Stamm schrumpft. Nachts dehnt er sich wieder aus, wenn mehr Wasser aus dem Boden aufgenommen wird als oben in der Krone verdunstet und sich das Stammgewebe wieder füllt. Nachts ist auch die Zeit, in der die Bäume wachsen. Während langer heisser und trockener Perioden sind die Wasserreserven im Boden jedoch aufgebraucht. Der Stamm kann sich nicht wieder vollständig füllen und ausdehnen und der Baum kann nicht wachsen.

Diese Dickenschwankungen des Stamms betragen nur Bruchteile von Millimetern. Sie sind mit speziellen Geräten, sogenannten Dendrometern (siehe Kasten), messbar. Diese kommen in Waldüberwachungs-Programmen weltweit verbreitet zum Einsatz. “Das ist eine wirkungsvolle biologische Messmethode für ein atmosphärisches Phänomen”, sagt Richard Peters von der WSL und der Universität Basel, einer der beiden Erstautoren der Studie.

Baumstämme schrumpften 2018 um Rekordwerte

Für die Untersuchung trugen die Forschenden Dendrometerdaten von 21 Baumarten an 53 Waldstandorten in ganz Europa zusammen. Im Verlauf des Sommers 2018 zeigten viele Bäume rekordhohe Stammschrumpfungen. Die Bäume waren nicht in der Lage, ihre Stammwasserspeicher während der Nacht wieder aufzufüllen. Sie litten demnach unter Trockenstress.  

Nicht alle Baumarten waren gleich betroffen: Nadelbaumarten reagierten empfindlicher auf die Hitzewelle 2018 als Laubbaumarten. Sie können geleerte Wasserspeicher weniger schnell wieder füllen. “Holz von Nadelbäumen leitet Wasser generell schlechter als dasjenige von Laubbäumen. Nadelbäume können Wasser zudem weniger gut aus trockenen Böden aufnehmen als zum Beispiel Eichen”, sagt Roman Zweifel, Mitautor der Studie und Ökophysiologe an der WSL.

Langfristige Folgen

Angesichts der extremen Wetterbedingungen war das Baumwachstum 2018 erstaunlich wenig beeinträchtigt und entsprechend der Jahrring kaum schmaler. Als es im Juli heiss und trocken wurde, war an vielen Standorten das Wachstum schon weitgehend abgeschlossen. Zudem wachsen Waldbäume über das Jahr gesehen nur während kurzer Zeit. Ein paar feuchte Nächte reichen unter Umständen auch in einer Trockenperiode, um das nötige Zellwachstum zu ermöglichen.

Während die meisten Bäume eine einzelne, kurze Hitzephase gut wegstecken, sind wiederholte und lange Hitzewellen für einige Baumarten kritisch. Das Baumwachstum wird stark durch die Vorgeschichte der Bäume geprägt, z.B. wieviel ein Baum im Vorjahr in Knospen und Kohlenstoffspeicher investieren konnte und wie gross seine Krone ist. Von einem guten Sommer zehrt er im Folgejahr. Man spricht von Verzögerungs- respektive Legacy-Effekten.

Entsprechend hatten aber auch die schlechten Bedingungen im Sommer 2018 Spätfolgen. Neueste Studien zeigen, dass der Legacy-Effekt die Baumphysiologie und das Wachstum für vier und mehr Jahre beeinflussen kann. Das hat sich speziell für die nicht sehr trockenheitsresistente Fichte bestätigt. Nach 2018 ging das Fichtenwachstum weiter zurück. Die geschwächten Bäume waren anfällig für Borkenkäfer und viele Fichten starben ab.

Trockenheit und Hitze sorgen heute vor allem an Standorten für Nachwirkungen, wo die Böden eine geringe Wasserspeicherkapazität haben oder wo angepflanzte Arten nicht zu den klimatischen oder standörtlichen Bedingungen passen.

Baumsignale als Frühwarnsystem

Diese Studie entstand im Rahmen der europäischen Initiative DenDrought2018. Sie kommt zum Fazit, dass Bäume als eigentliche Frühwarnsysteme für die ökologischen Auswirkungen von Extremereignissen dienen können. Deshalb werden derzeit in ganz Europa Überwachungsnetzwerke mit Stammradiusmessungen ausgebaut. In der Schweiz ist es Treenet.info, das an über 350 Bäumen Stammradiusänderungen misst und automatisch den aktuellen Trockenstress und das Wachstum auswertet. Um für die Früherkennung von möglichen Schäden einsetzbar zu sein, braucht das Netzwerk ein zentrales Datenverarbeitungssystem, das Daten fast in Echtzeit sammeln und analysieren kann. TreeNet publiziert seit dem letzten Jahr täglich sogenannte Nowcasts, eine Art Tages-Wetterprognose für das Gedeihen unsere Waldbäume in der Schweiz.

Weitere Dendrometer-Netzwerke in Europa sind TreeWatch.net oder Tree Talker. Sie werden weiter ausgebaut, neue Sensortechniken entwickelt und mehr Bäume mit Dendrometern ausgerüstet. Dies wird dabei helfen, dass wir immer besser verstehen, wie Wälder auf die Klimaveränderung reagieren.

Dendrometer machen das Unsichtbare sichtbar

Dendrometer sind Messgeräte, die an Baumstämmen angebracht werden, um Durchmesserschwankungen mit hoher räumlicher (Mikrometer) und zeitlicher (Stunden) Auflösung zu überwachen. Die Daten werden auf einem Datenlogger gespeichert oder direkt in die Cloud auf einen zentralen Server gesendet. Dendrometer gibt es in verschiedenen Formen und Größen. Punktdendrometer (Foto links) erfassen nur einen winzigen Punkt auf dem Stamm und sind sehr präzise. Banddendrometer (Foto rechts) messen den ganzen Umfang von Stämmen, sind aber weniger genau und auch anfälliger für Artefakte wie z.B. Temperaturschwankungen. Obwohl Dendrometermessungen von Forschenden über Jahre hinweg und an Hunderten von Forschungsstandorten gesammelt wurden, sind sie nur selten zu grösseren Netzwerken zusammengefasst worden, wie das in dieser Studie passierte. Das Schweizer Dendrometernetzwerk heist TreeNet und wird von der WSL, der Uni Basel, dem IAP Witterswil, der ETH Zürich und mit finanzieller Unterstützung des BAFU betrieben.

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