Was beeinflusst den Anstieg der Waldgrenze?

Wie sich die Waldgrenze verschiebt, hängt neben der Temperatur stark von weiteren Faktoren ab. Diese haben Forschende von WSL und SLF untersucht.

Durch die Klimaerwärmung verschiebt sich die Waldgrenze schon heute in höhere Lagen und in Richtung der Pole. Doch in welchem Ausmass und mit welcher Geschwindigkeit dieser Prozess künftig ablaufen wird, ist bisher unklar. Eine wichtige Frage ist dabei, ob und unter welchen Bedingungen Baumsamen oberhalb der aktuellen Waldgrenze keimen und gedeihen können.

Dies haben nun Forschende von WSL und SLF in einem Keimlingsexperiment untersucht. Dazu säten sie am Stillberg bei Davos Lärchen- und Fichtensamen in drei verschiedenen Höhenlagen: An der natürlichen Waldgrenze auf etwa 2100 Metern sowie 150 Meter unterhalb und 300 Meter oberhalb davon. Die Forschenden verglichen, wie viele Samen in der jeweiligen Höhenstufe keimten und wie viele der Keimlinge die ersten zwei Winter überlebten. Zudem untersuchten sie, welchen Einfluss die Verfügbarkeit von Samen, die Konkurrenz durch andere Pflanzen und weitere Faktoren auf den Keimungserfolg hatten.

Samenverfügbarkeit und Konkurrenz durch Vegetation sind entscheidend

Das Ergebnis überraschte die Forschenden: Am höchstgelegenen Standort auf 2400 Metern keimten die ausgesäten Samen insgesamt besser als weiter unten. Das zeigt, dass Bäume auch weit oberhalb der Waldgrenze gut keimen können. Allerdings war das nur bei den gesäten Samen zu beobachten, während sich auf Kontrollflächen keine natürlich gewachsenen Bäumchen fanden. Den Grund dafür sehen die Forschenden darin, dass dort keimfähige Samen fehlen. Denn Bäume an der Waldgrenze produzieren aufgrund des ungünstigen Klimas nur wenige und qualitativ schlechte Samen.

Im Gegensatz zum höchstgelegenen Standort behinderte an der Waldgrenze dichte Vegetation die Keimung: Sowohl Fichten als auch Lärchen sprossen nur dann in bedeutender Zahl, wenn die Forschenden vor der Aussaat die Vegetation entfernt hatten. Dies zeigt, dass die Konkurrenz durch Zwergsträucher wie Alpenrosen und andere bodenbedeckende Vegetation die Keimung von Baumsamen stark erschwert. In allen Höhenlagen hatten zudem weitere Faktoren wie die Samenherkunft oder Frass durch Tiere Einfluss auf den Keimungserfolg.

Überleben nur bei optimalen Bedingungen

Doch selbst bei erfolgreicher Keimung setzen die Winter den jungen Bäumchen stark zu - besonders jenen oberhalb der Waldgrenze. An diesem Standort hatten nach zwei Jahren nur etwa zwei Prozent der Keimlinge überlebt, während es an der Waldgrenze etwa 40 Prozent waren. Auch waren sie deutlich kleiner geblieben als jene an der Waldgrenze. "Das deutet darauf hin, dass Baumkeimlinge oberhalb der Waldgrenze nur unter optimalen Bedingungen längerfristig überleben können", sagt WSL-Forscherin Esther Frei. Die Studie haben die Forschenden zusammen mit kanadischen Kolleginnen und Kollegen kürzlich in der Fachzeitschrift "Scientific Reports" veröffentlicht.

Die Forschenden planen nun, ihre Ergebnisse mit jenen von weiteren Standorten an alpinen und polaren Waldgrenzen zusammenzubringen. Das Experiment am Stillberg ist Teil der koordinierten Initiative G-TREE (Global Treeline Range Expansion Experiment), in der seit 2013 gleichartige Keimlingsversuche an rund fünfzehn Standorten weltweit durchgeführt werden. Ziel ist, den Einfluss verschiedener Faktoren auf das Vorrücken der jeweiligen Waldgrenzen zu bestimmen.

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