Wo die Natur das Sagen hat

 Lausanne, 06.07.2017  |  News

In den transkarpatischen Urwäldern hat noch weitgehend die Natur das Sagen. Eine Gruppe Schweizer Forstpraktiker durfte das Wirken der Natur in Augenschein nehmen. Exkursionsleiterin Rita Bütler, Verantwortliche der Schnittstelle Forschung - Praxis für die Westschweiz der WSL, berichtet.

Ein gewaltiges, ohrenbetäubendes Gewitter donnerte am 5. Juni über das ukrainische Karpaten-Biosphärenreservat Uholka-Shyrokyj Luh hinweg – ein rund 100 km2 grosser Buchenurwald. Mittendrin befanden sich gerade 20 Forstleute und Biologen aus der Westschweiz. Sie wurden brutal zur Umkehr gezwungen: schwellende Wildbäche, nahe einschlagende Blitze und prasselnder Starkregen machten ein Weitergehen unmöglich. Die Natur hat hier das Sagen, auch im Wald.

Auf einer 8-tägigen Exkursion in die ukrainischen Transkarpaten erkundeten die Westschweizer Naturwälder in Höhenlagen von 400 bis 1500 m, vom reinen Buchenwald über Mischwälder bis zum reinen Fichtenurwald. Sechzig Meter hohe Eschen, 550 Jahre alte Buchen oder 162 Kubikmeter Totholz pro Hektarfläche brachten jeden Teilnehmer zum Staunen. Im Vergleich dazu sind die Schweizer Naturwaldreservate auf ihrer Rückentwicklung zu Naturwäldern noch weit entfernt. Zeit ist der entscheidende Faktor: erst nach Jahrhunderten entwickelt sich ein Wald in ein vollständiges, artenreiches Ökosystem. Zeit braucht es auch, um an diese Naturschätze heranzukommen. „Für die letzten zwölf Kilometer mit unserem Bus nach Mala Uholka brauchten wir eine ganze Stunde! Noch langsamer ging es mit den Geländewagen, die uns bis zur Kernzone des Tschornohora-Massivs führten“, sagt Rita Bütler.

Unter der kundigen Führung von Rita Bütler (WSL) und Vasyl Lavnyy (NFTUU, Lviv) konnten die Teilnehmer einen Einblick in die Forschungsarbeiten der WSL und der Nationalen Forsttechnischen Universität der Ukraine in Lviv gewinnen. Sie konnten auch Pflanzen- und Tierarten eingehend beobachten: die Vielfalt von Mikrolebensräumen im Holz, Totholzkäfern oder Pilzen und deren Zusammenwirken im Wald zeigten Laurent Larrieu (INRA, Toulouse, F) und Christophe Bouget (IRSTEA, Nogent-sur-Vernisson, F) auf. In nur 24 Stunden gelang es, in einer Demonstration mittels Fenster- und Malaise-Falle eine eindrückliche Zahl verschiedener Insektenarten zu fangen. Auch der endemische Karpatenmolch (Triturus montandoni) und die schillernde Blau-Schnegel-Nacktschnecke (Bielzia coerulans) blieben den Schweizer Besuchern nicht verborgen.

“Jeder angehende Forststudent und Förster müsste Gelegenheit haben, diese eindrücklichen Naturwälder zu besuchen!“ betonte ein Teilnehmer. „Einiges, was wir in unserer Grundausbildung gelernt haben, scheint hier in Frage gestellt“, war ein anderer Kommentar. Partnerschaftliche Urwaldforschung zwischen der WSL und der Ukraine fördert laufend neue Erkenntnisse zu Tage. Diese Exkursion ermöglichte einer Gruppe von Praktikern hautnahen Zugang zu Ergebnissen und einer grossen Portion Urwaldambiente.

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