Martin Ruggli, Fajauna (GR)

  • Verheiratet, 2 Kinder (5 und 7 Jahre alt)
  • Im Winter Bergführer, im Sommer Hüttenwart der Capanna da l'Albigna im Bergell
  • SLF-Beobachter seit 2009

Was genau meldest du als Beobachter?

Ich habe kein fixes Messfeld, sondern erfasse den Ist-Zustand aus dem Gelände. Wenn ich für meinen Job als Bergführer unterwegs bin, beobachte ich laufend die lokale Situation im Gelände und sammle Eindrücke. Ich prüfe die Beschaffenheit der Schneedecke sowie des Schneedeckenaufbaus, erfasse Neuschneemengen und lokalisiere frischen Triebschnee. Dazu gehört auch, zu schauen, ob Alarmzeichen wie «Wummgeräusche» und Risse in der Schneedecke auftreten und ob spontane oder durch Schneesportler ausgelöste Lawinen zu sehen sind. Aus all diesen Faktoren leite ich ab, ob die Lawinensituation eher günstig oder ungünstig ist und gebe all diese Informationen in SLFPro (Informationssystem für Lawinen-Fachleute) ein, was ungefähr 5 bis 10 Minuten dauert.

Wie wurdest du SLF-Beobachter? 

Ich wurde von Lukas Dürr vom Lawinenwarndienst angefragt, ob ich Lust hätte, mitzumachen. Wir haben 2003 zusammen die Bergführerausbildung gemacht und sind auch privat in Kontakt.

Was gefällt dir an der Aufgabe? 

Ich finde es schön, dass ich einen Beitrag leisten kann, damit das Lawinenbulletin akkurat und präzis formuliert werden sowie laufend verbessert werden kann. Auch mir persönlich bringt die Aufgabe Vorteile: Ich beobachte die Schneeverhältnisse im Gelände viel genauer und mache mir noch mehr Gedanken zur aktuellen Lage.

Was magst du nicht/was ist mühsam?

Eigentlich nichts. Für mich ist die Beobachter-Tätigkeit keine Arbeit, sondern eher wie Rucksack packen oder Kaffee kochen. Also eine Routine, die dazugehört und bei der ich anschliessend einfach noch ein Formular ausfülle.

Was bedeutet es dir, Beobachter zu sein?

Prestige ist nicht dabei – ich finde es aber toll, mitwirken zu können und zu einem guten Bulletin beizutragen. Das Lawinenbulletin geniesst in der Schweiz einen hohen Stellenwert. Mir gefällt auch, dass ein hoher Aufwand für dieses sowie weitere wertvolle Tools des SLF betrieben wird.

Wie gut kannst du die Aufgabe mit deiner sonstigen Tätigkeit vereinbaren?

Grösstenteils ist dies unproblematisch. Höchstens während eines Kurses kann es schwierig und hektisch sein, SLF Pro mit meinen Informationen zu füttern. Internetempfang ist meistens kein Problem – in den Regionen, in denen ich als Bergführer unterwegs bin, ist die Netzabdeckung sehr gut.

Was war dein eindrücklichstes Erlebnis mit Schnee und Lawinen?

In eine Lawine bin ich auch schon geraten, aber zum Glück nicht komplett verschüttet worden. Auf einer Skitour hat die letzte Person der Gruppe ein Schneebrett am Hang oberhalb von uns ausgelöst. Wir sind jedoch gut gestanden, sozusagen auf einer sicheren Insel. Ich hatte das Gelände vorgängig gut angeschaut, diesen sicheren Ort gewählt und dort auf die Gruppe gewartet. Die Lawine ist extrem knapp an der Gruppe vorbeigegangen. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass eine gute Geländekenntnis allein keine Sicherheit ist. Es gilt trotzdem aufmerksam zu bleiben.

Was verbindet dich mit dem Material Schnee?

Ich bewege mich schon mein ganzes Leben im Schnee, habe früh begonnen Ski zu fahren, und mein Vater hat bei den Bergbahnen gearbeitet. Auch durch meine Tätigkeit als Schneesportlehrer, JO-Leiter beim SAC und als Gebirgsspezialist bei der Armee habe ich eine enge Verbindung zu Schnee. Bergführer zu werden war eigentlich nur die logische Konsequenz daraus.

Was machst du gerne am Feierabend/in deiner Freizeit?

Mein Beruf ist auch mein Hobby, darum braucht's nicht viel mehr daneben. Ich gehe an einem freien Tag mit meiner Frau auf eine Skitour oder bin mit den Kindern auf der Piste unterwegs. Da ich nahe an den Bergen wohne, habe ich mehr oder weniger einen geregelten Job, lediglich drei bis vier Mal pro Wintersaison bin ich jeweils für eine Woche unterwegs.

Welches ist dein Lieblingsort auf der Welt?

Für mich sind Berggebiete im Allgemeinen immer reizvoll, einen Lieblingsort kann ich dabei nicht nennen.

Deine Lieblingsjahreszeit?

Herbst und Winter sind meine Favoriten. Der Herbst ist meistens noch super zum Klettern, farbintensiv. Der Winter natürlich wegen den Skitouren, er verwandelt die Berge in wilde Gebiete.

Worauf kannst du nicht verzichten?

Auf Skifahren und Klettern verzichte ich ungern.

Das SLF feiert dieses Jahr «75 Jahre Lawinenbulletin». Was bedeutet das für dich?

Die Schweiz hat eine lange Tradition in der Schnee- und Lawinenforschung. Das SLF ist eine Pionierin und hat viele Sachen zum ersten Mal in Davos gemacht. Ich hoffe, dass es so weitergeht.