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Integrales Gewässermanagement
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Wirbellose Tiere der Gewässersohle (Makrozoobenthos)

   
 

Artenvielfalt und Artenzusammensetzung

   
 

Wie sich eine Verbreiterung des Gerinnebettes auf die Artenzahl auswirkt, zeigt Abbildung 1, welche eine - wenn auch nicht signifikante - positive Korrelation zwischen der benetzten Breite und der Artenzahl erkennen lässt.

 
Die hier vorgestellten Ergebnisse beruhen auf Untersuchungen an der Thur aus dem Jahr 2003.

Literaturliste Benthos

Larve von Habroleptoides sp., Eintagsfliege (Freiland-Aufnahme von R. Riederer)



Larve von Perlodes sp., Steinfliege (Freiland-Aufnahme von R. Riederer)

  Abb.1: Benetzte Breite / Artenzahl (Limnex, 2004)  
     
 

Dabei scheint der Zusammenhang jedoch nicht linear zu sein, denn die Untersuchungen an der Thur zeigen, dass sich die Artenzahlen zwischen kleinen Aufweitungen und kanalisiertem Gerinne kaum von einander unterscheiden. Erst die grossen Aufweitungen weisen eine deutlich höhere Artenzahl als die begradigten Thurabschnitte auf (Abb.2).

Die beobachteten Veränderungen in der Artenzusammensetzung lassen sich auf das veränderte bzw. erweiterte Spektrum der Habitat- u. Strömungsverhältnisse zurückführen.
Im Gegensatz zu den begradigten Gerinneabschnitten zeigen die Aufweitungen eine grössere Variabilität der Wassertiefen und Strömungsgeschwindigkeiten (Abb.3, Abb.4). Denn durch die grossen Aufweitungen an der Thur wurden neu sowohl Seitentümpel u. -gerinne als auch Riffle mit starken Strömungen geschaffen, die von zusätzlichen Arten besiedelt werden.

 
 
  Abb.2: Artenzahl in unterschiedlichen Gewässerabschnitten der Thur (Limnex, 2004)
       
 

Abb.3: Strömungsverhältnisse an der Wasseroberfläche (A) und über Grund (B) sowie Wassertiefen (C) der Thur zwischen Weinfelden und Niederneunforn (Limnex, 2004)

 

Ein Vergleich der Artenzusammensetzung zeigt, dass in den verbauten Gerinneabschnitten Arten dominieren, die eine mässig starke Strömung bevorzugen. Neben diesen kommen in den Aufweitungen zusätzlich solche Arten vor, die starke bis schiessende oder strömungsarme bis –freie Zonen bevorzugen (Tab.1).
So konnten z.B. die strömungsliebende Köcherfliege (Glossosoma botloni) und die Quellen-Blasenschnecke (Physa fontinalis), welche ruhige Gewässerzonen bevorzugt, ausschliesslich in den Aufweitungen gefunden werden. Arten wie diese finden in kanalisierten Strecken kaum geeignete Lebensräume und profitieren daher von dem Bau von Aufweitungen.

 

Abb.4:
REV: Aufweitung,
REF: kanal. Referenzstrecke
benthologisch beprobte Stellen,
+
alle erhobenen Werte in den Querprofilen
(Limnex, 2004)

       
 

Thur (verbaut)

Thur-Aufweitung

vorzugsweises Vorkommen

Art   Habitatanspruch Art   Habitatanspruch

Naididae

wenigborstige Würmer

belastete Gewässer

Dicranota sp.

Zweiflügler

rheophil

Tanipodina

Zuckmücken

sommerwarme Tieflandflüsse

Rhyacophila sp.

Köcherfliege

rheophil

 

Heptageniida

Eintagsfliege

rheophil

Simuliidae

Kriebelmücken

rheophil

ausschliessliches Vorkommen

Art   Habitatanspruch Art   Habitatanspruch

Tubificidae

Bachröhren-
würmer

stehende, fliessende, verschmutzte Gewässer

Physa fontalis

Quellen-Blasenschnecke

stehende, langsamfliessende Gewässer

 

Cloeon dipterum

Fliegenhaft

stehende, langsamfliessende Gewässer

Glossiphonia complanata

Grosser Schneckenegel

stehende und
fliessende Gewässer

Chloroperla sp.

(Steinfliege)

geröllführende Gebirgsbäche

Glossosoma boltoni

(Köcherfliege)

rheophil

Tab.1: Unterschiede im Artenspektrum zwischen verbauter und aufgeweiteter Thur

 

 

   
  Wie sich die Dominanzverhältnis der einzelnen Artengruppen zwischen kanalisierten und aufgeweiteten Strecken unterscheiden ist in Abbildung 5 ersichtlich:    
       
 
  Abb.5: Dominanzverhältnisse einzelner Artgruppen in kanalisierten bzw. aufgeweiteten Thur-Abschnitten (Limnex, 2004)
       
 

Neben der Erhöhung der Artenvielfalt leisten Aufweitungen auch einen wichtigen Beitrag zum Erhalt überlebensfähiger Populationen, denn eine Aufweitung erhöht nicht nur die Habitatvielfalt, sondern auch die Grösse des zur Verfügung stehenden Lebens- und Rückzugsraumes.

Sowohl der Flächenzuwachs als auch die bessere Strukturierung des Gewässers erhöhen:

  • die Besiedlungsdichte (Abb.6),
  • die Überlebenswahrscheinlichkeit der Organismen im Fall eines Hochwassers und
  • die  Wiederbesiedlungsrate nach Abklingen des Hochwasserereignisses.

All diese Faktoren wirken sich positiv auf die Populationsgrösse und damit auf einen langfristigen Erhalt der einzelnen Arten aus.

 

Abb.6: Besiedlungsdichte
REV: Aufweitung,
REF: kanal. Referenzstrecke

(Limnex, 2004)

 

Kontakt:

Untersuchungsstelle