Auf den Spuren von Schweizer Entdeckern im Himalaya

Wagemutige Schweizer Pioniere machten in den 1930er-Jahren Fotos und Beobachtungen von Gletschern im indischen Himalaya. Glaziologen von der WSL, der Universitäten Zürich und Garhwal wiederholten nun ihre Reise, um aktuelle Daten zu den Gletschern zu sammeln.

14.09.2022 – Schweizer Entdecker im indischen Himalaya

Vor mehr als 80 Jahren erforschten sechs Schweizer Pioniere die verborgenen Täler der Garhwal-Kette im indischen Himalaya. Sie schafften beeindruckende Erstbesteigungen, überlebten furchterregende Lawinenabgänge und machten vor allem äusserst präzise Beobachtungen und Fotos von den Gletschern, die diese abgelegenen Gebirgszüge hinunterfliessen.

Ihre Daten bieten eine einzigartige Gelegenheit, die langfristigen Gletscherveränderungen in einem Gebirge, in dem solche Beobachtungen sonst nicht möglich sind, zu verstehen und zu quantifizieren. Simone und ich sind daran, die Schritte dieser frühen Expeditionen zurückzuverfolgen, ihre Beobachtungen zu wiederholen und zusätzlich Messungen mit modernen Methoden an diesen Gletschern vorzunehmen, die stark vom Klimawandel betroffen sind.

19.09.2022 – Picardie-Wetter am oberen Alaknanda

Kaum hatten wir unsere ersten Schritte auf dem Anmarsch gemacht, begann es zu regnen – ich fühlte mich an die Dezembertage bei meiner Grossmutter in der Picardie in Nordfrankreich erinnert. Dieses Jahr hatte der Monsun beschlossen, länger im oberen Alaknanda zu verweilen. Starker Regen und dichter Nebel begleiteten uns während der gesamten Reise. Einige Pläne mussten wir anpassen, im Grossen und Ganzen haben wir unsere Messungen aber wie geplant durchgeführt, angefangen mit der Installation einer Messstation im proglazialen Bach des Satopanth-Gletschers. Mit dieser wollen wir den Abfluss überwachen und mit den Daten das Schmelzmodell überprüfen, das wir in diesem Einzugsgebiet anwenden wollen.

20.09.2022 – Auf Google Earth sieht alles ganz einfach aus

Ein wichtiger Teil dieser Reise bestand darin, die von den Schweizer Forschern in den Jahren 1936 und 1939 erkundeten Gletscher wieder zu besuchen, darunter einen abgelegenen 5400 m hohen Gipfel oberhalb des Bhagirath Kharak Gletschers. Hierfür hatten wir einen klaren technologischen Vorteil. Ein paar Minuten Scrollen auf Google Earth und wir wussten genau, wo wir zelten, welche Route wir nehmen, wo wir Wasser finden würden und so weiter, und das auf einem Gletscher, der seit 1936 nur eine Handvoll Male besucht worden war. «Siehst du ... es sind nur 15 km, du gehst um die Moräne herum, trittst auf den Gletscher, umrundest diese Eisklippen und gehst diese Rampe hinauf, um das erste Lager zu erreichen ... easy!»

Easy? Das einzige Einfache ist, zu vergessen, wie schwierig es ist, auf einem schuttbedeckten Gletscher zu navigieren... Ein Auf und Ab über instabile Felsblöcke, riesige supraglaziale Seen, die den Weg versperren, wenn man es am wenigsten erwartet, übel aussehende Moränen, die den Durchgang blockieren ... Am Ende schafften wir es und konnten einige der historischen Bilder wiederholen. Diese werden helfen, die langfristigen Veränderungen dieser Gletscher zu rekonstruieren.

29.09.2022 – Daten, Daten, Daten!

Endlich ist die Sonne wieder da. Plötzlich sieht alles wieder machbar aus, und uns wird klar, dass wir noch so viele Daten sammeln wollen und so wenig Zeit haben. Wenige Minuten nach dem Frühstück schwirrt bereits die Drohne in der Luft, um die Gletscheroberfläche zentimetergenau zu kartieren, ich gehe über das Geröll, um die Position und das Schmelzen meiner Ablationspfähle zu messen, Boris ist im Eisklippenkanal und macht seine ersten Scans des Tages. All diese Messungen, die wir im Laufe der Expedition mehrmals wiederholen, werden uns Aufschluss darüber geben, wie schnell der Gletscher schmilzt und wie variabel diese Schmelze ist. Dies sind wichtige Daten für unser Verständnis der Prozesse an der Gletscheroberfläche und für die Kalibrierung unserer Gletscherschmelzmodelle.

Dieser letzte Tag ist ein grossartiger Abschluss unseres Abenteuers. Wir bringen viele Daten und spannende Geschichten von dieser Reise mit, aber vor allem war dies der Beginn einer grossartigen Zusammenarbeit mit unseren Kolleginnen und Kollegen von der University of Garhwal – wir wissen, dass wir sie wieder besuchen werden!