«Wir haben eine Vorbildfunktion.»

Am 11. Februar ist der Internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft. Im Interview erzählt SLF- und ETH-Assistenzprofessorin Manuela Brunner von positiven und negativen Erfahrungen in der Männerdomäne Naturwissenschaften, wie sie damit umgeht und wie sie aktiv versucht, die Situation von Minderheiten zu verbessern.

Manuela, hast Du als Frau es schwer, Dich in einem männlich dominierten Wissenschafts-Umfeld durchzusetzen?

Lange war mir das gar nicht so bewusst mit diesem ‘ich bin in der Minderheit und ich muss mich durchsetzen.’ Denn ich habe Geografie studiert, in diesem Umfeld sind die Geschlechterverhältnisse relativ ausgeglichen. Auch meine Doktorarbeit habe ich in einer Gruppe mit sehr vielen Wissenschaftlerinnen gemacht. So richtig bewusst geworden ist mir die Ungleichheit erst, als ich auf meine ersten Konferenzen ging und gemerkt habe, wow, in anderen Forschungsgruppen ist es nicht so wie bei uns. An anderen Unis gibt es Gruppen, das sind nur Männer. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass es für mich bis jetzt zwingend ein Nachteil gewesen ist, eine Frau zu sein. Es bietet auch Chancen, wenn man zur Minderheit gehört, oder? Aber ich will und muss mich dafür einsetzen, dass dieses Ungleichgewicht verschwindet.

Wie gehst Du da vor?

Wenn ich zum Beispiel eine Einladung für einen Workshop oder eine Kolloquiums-Reihe bekomme, und neun von zehn Präsentierenden sind Männer, dann sage ich den Veranstaltern schon, hey, ich finde die Besetzung nicht ideal. Wir als Forschungsinstitution und Uni haben ja eine Vorbildfunktion auch für junge Wissenschafterinnen und Studentinnen. Und wenn die sich in der Veranstaltung gar nicht repräsentiert sehen, dann finde ich das äusserst schlecht.

Bringt das was?

Also die eine Reaktion ist ‘Oh, tut mir total leid, war mir überhaupt nicht bewusst, ich mache es nächstes Mal besser.’ Aber dann gibt es halt auch diese Haltung  ‘oh, schon wieder dieses Thema.’ Dies hat dann mit Gleichgültigkeit zu tun, und diese Gleichgültigkeit ist schwierig zu bekämpfen. Aber die Gespräche des ersten Typs führen sehr oft zu einem konkreten Resultat. Die Veranstalter versuchen dann zum Beispiel, die Seminarreihe kurzfristig noch anzupassen. Oder ich bekomme zumindest das Versprechen, dass es nächstes Mal anders wird. Auch wenn ich was organisiere, wirke ich aktiv auf Ausgewogenheit hin. Aber es geht ja nicht nur um das Verhältnis von Frauen zu Männern.

Sondern?

Vielleicht gibt man jungen Wissenschafterinnen auch die Chance, mal etwas zu präsentieren und nicht nur älteren. Und ich achte auch auf eine geographische Ausgeglichenheit. Es gibt ja nicht nur Europa. Es können auch Menschen von anderen Kontinenten sprechen. Da versuche ich schon, aktiv etwas Positives zu bewirken.

Aber selbst warst Du nie direkt betroffen?

Naja, es gab kürzlich einen Review-Prozess, da hat ein Mann eine Studie kritisiert, die ich mit einer Kollegin verfasst habe. Für den Satz, den er da geschrieben hat, gab es keinen Grund, es sei denn, dass diese Person einfach extreme Vorurteile hatte und dachte, so zwei junge Frauen, die könnten ja selber keine Studie entwerfen, das müsse von irgendeinem Supervisor gekommen sein. Das gibt es also schon, dass die Leute dich unterschätzen oder nicht ernst nehmen

Es gibt aber nicht nur Situationen in denen man vielleicht ein bisschen unterschätzt wird. In anderen Situationen, denke ich, kann es auch sein, dass man vielleicht eine Chance erhält, gerade weil man zur Minderheit gehört. Weil genau dieses Profil gesucht wird und eben nicht nochmals der ältere, weisse Herr.

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