22.12.2016 | News
Im Klimawandel wird der Wald seine Leistungen wie Holzproduktion, Schutz vor Naturgefahren und Erholungsraum für die Bevölkerung nicht von allein aufrecht erhalten können, wie Ergebnisse aus dem Forschungsprogramm "Wald und Klimawandel" des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und der Eidg. Forschungsanstalt WSL zeigen. Dies stellt die Pflege und Bewirtschaftung der Wälder auf die Probe. Anlässlich des von der WSL organisierten "Forum für Wissen" am 29. November in Uitikon (ZH) stellten Wissenschaftler ihre Resultate mehr als 240 am Wald interessierten Fachleuten vor.
Klimaforscher prognostizieren, dass sich Trockenperioden und Starkniederschläge im Zuge der globalen Erwärmung häufen werden. Das wird sich auf den Wald auswirken – aber wie reagiert er und wie können sich Waldeigentümer darauf vorbereiten? Um solche Fragen zu beantworten und die Auswirkungen des Klimawandels und Massnahmen in der Waldbewirtschaftung besser einschätzen zu können, lancierte das Bundesamt für Umwelt (BAFU) zusammen mit der WSL im Jahr 2009 ein "in dieser Weise noch nie dagewesenes Wald-Klima Programm", sagte WSL-Direktor Konrad Steffen anlässlich des "Forum für Wissen". Rund 300 Personen untersuchten in 42 Projekten die Auswirkungen des Klimawandels auf den Wald und erarbeiteten Empfehlungen für die Waldbewirtschaftung.
Die Fichte wird es schwer haben
Niklaus Zimmermann, Forscher an der WSL, wertete zusammen mit Kollegen statistische Modelle aus, die auf dem heutigen Vorkommen von Baumarten sowie Klimadaten beruhen. Die Forscher kombinierten diese statistischen Modelle mit Klimamodellen und fanden heraus, welche Baumarten an welchen Orten in verändertem Klima gedeihen können. Ihr Fazit: Die Fichte ist im Mittelland aufgrund der Trockenheit langfristig gefährdet; die Buche tendenziell ebenfalls. Allerdings kommen die Modelle zu unterschiedlichen Ergebnissen, inwieweit die Buche vor Ende des 21. Jahrhunderts auf allen Standorten des Mittellands in Bedrängnis geraten wird. Die Eiche dürfte mittelfristig zu den Gewinnern gehören, weil sie mit Trockenheit besser umgehen kann. In mässig hohen Lagen werden die Buche und andere Laubbäume gegenüber der Fichte konkurrenzfähiger als bisher und letztere langsam verdrängen. Niklaus Zimmermann betont aber: "Der Wald verändert sich langsamer als es die Modelle, welche die Standorteignung der einzelnen Baumarten zeigen, vorhersagen. Veränderungen geschehen vor allem nach Extremereignissen wie extremer Trockenheit oder Waldbränden rascher, weil sich die Wälder dann auf grossen Flächen verjüngen."
Keine Panik!
Trotz beunruhigender Meldungen seitens der Klimaforscher meldet auch Harald Bugmann, Professor für Waldökologie an der ETH Zürich:
"Keine Panik! Unseren Wäldern bleibt noch etwas Zeit."
Angesichts der langen Lebenszyklen im Wald ist es jedoch sinnvoll, bereits heute Massnahmen zu treffen, besonders bei der Waldverjüngung. Zwar werden sich in den kommenden dreissig Jahren die Waldbestände kaum in grossem Stil ändern. Doch danach geht die Veränderung rasch und ist höhenabhängig: In tieferen Lagen werden Fichten stark in Bedrängnis geraten. In der subalpinen Stufe ist hingegen zu erwarten, dass die Wälder mit der heutigen Bewirtschaftung sogar rascher wachsen werden. Denn das Baumwachstum profitiert in höheren Lagen vom Temperaturanstieg, da es heute durch die kurze Vegetationsperiode eingeschränkt ist.
Mehr Borkenkäfergenerationen in Zukunft
Nicht nur der sukzessive Wandel des Klimas schwächt den Wald; auch Einzelereignisse wie Schädlingsbefall belasten ihn. Eines der in den Schweizer Wäldern weitverbreitetsten Schadinsekten ist der Buchdrucker, ein Borkenkäfer, der vor allem geschwächte Fichten befällt. "Wegen der Klimaerwärmung dürfte in Zukunft eine Buchdruckergeneration mehr pro Saison entstehen, womit die Fichten, vor allem in tieferen Lagen, künftig häufiger befallen würden", sagt Beat Wermelinger, Waldentomologe an der WSL. Denn wärmeres Klima führt dazu, dass die Käfer früher zu schwärmen beginnen und – über die Jahre gesehen – sich schneller entwickeln.
Vielfalt ist das Schlüsselwort
Die Frage bleibt: Wie können wir die Waldleistungen in einer Zeit des Klimawandels erhalten? Peter Brang, Leiter des Forschungsprogramms, empfiehlt, Baumarten, die in warmen Regionen mit häufigen Trockenperioden gedeihen, auch andernorts bereits heute in Mischbestände aufzunehmen, was Risiken verteilt und damit mindert. Dazu beitragen können auch die Erhöhung der Strukturvielfalt, der Störungsresistenz der Einzelbäume sowie die Reduktion der Umtriebszeiten.
"Es ist jedoch nicht das Ziel, den Wald von heute komplett ‚umzubauen‘, sinnvoller sind feine Eingriffe, um einen sanften Baumartenwechsel zu erzielen."
Auch die genetische Diversität solle möglichst gross gehalten werden. "Bei Fichte und Buche konnten die Forschenden zeigen, dass diese je nach Standortbedingungen genetische Unterschiede in Eigenschaften wie dem Knospenaustrieb und dem Höhenzuwachs aufweisen," berichtete Andrea Pluess. Das können die Bewirtschafter nutzen, indem sie Jungpflanzen von Bäumen verwenden, die schon heute an ein warm-trockenes Klima besser angepasst sind. Angesichts vieler verbleibender Unsicherheiten plädiert Brang für ein adaptives Waldmanagement, bei dem die Bewirtschaftenden ihr Tun in einem steten Lernprozess verbessern.
Auch Gastbaumarten helfen, Risiken zu diversifizieren
Im Vergleich zu heute dürfte sich die Baumartenzusammensetzung in den Schweizer Wäldern bis zum Ende des 21. Jahrhunderts ziemlich verändern. Zu den in grössere Höhen ausweichenden Fichten und Buchen gibt es nicht nur die Eichen und auf bestimmten Standorten auch Föhren und Weisstannen als einheimische Alternative. Allerdings erschwert starker Wildverbiss vor allem den Aufwuchs von Eiche und Tanne erheblich, das unterstrichen auch mehrere Voten der Teilnehmenden. Die Vielfalt des Schweizer Waldes liesse sich auch durch bisher weniger interessante, respektive seltene Baumarten wie Elsbeere, Linde und Waldkirschbaum fördern. Neben einheimischen könnten aber auch Gastbaumarten wie die schon heute in der Schweiz präsente Douglasie mehr Raum erhalten. Der nicht-einheimische Nadelbaum zeichnet sich durch Trockenheitsresistenz, rasches Wachstum und gute Holzqualität aus. "Die Anpflanzung der Douglasie in der Schweiz sollte kein Tabu sein. Sie kann eine sinnvolle Alternative zur Abholzung der Wälder in Sibirien oder im Amazonas sein", sagt Andreas Rigling, Leiter der Forschungseinheit Walddynamik der WSL. Er betonte jedoch, dass diese Baumart weder grossflächig noch in gleichaltrigen Reinbeständen gepflanzt werden sollte und andere wichtige Waldleistungen wie Biodiversität oder Schutz vor Naturgefahren respektiert werden müssten.
Die noch nicht vollständig absehbaren Veränderungen, die der Klimawandel mit sich bringt, mag einzelne Waldfachleute verunsichern. Die Ergebnisse des Forschungsprogramms liefern nun mehr Informationen für eine Waldbewirtschaftung, welche diesen Wandel berücksichtigt. Ueli Meier, Kantonsforstingenieur beider Basel, bilanziert: "Die Wissenschaft stellt uns nun wichtige Entscheidungshilfen für den Umgang mit dem Klimawandel zur Verfügung." Meier hat das Forschungsprogramm als Mitglied des Steuerungsausschusses begleitet und meint: "Nun müssen Forstpraxis und Waldeigentümer handeln."
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